Angelegenheiten der Wohnungseigentümer werden durch Beschlussfassung in der Versammlung der Wohnungseigentümer geregelt. Ist ein Eigentümer der Auffassung, dass ein Beschluss so nicht getroffen werden durfte, kann er diesen Beschluss anfechten (Beschlussklage, § 44 WEG). Ist ein Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung unter Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen zustande gekommen, unterscheiden die Gerichte, ob ein Beschluss von vornherein nichtig ist (Nichtigkeitsklage) oder für ungültig erklärt werden muss (Anfechtungsklage).
Der anfechtbare (ungültige) Beschluss
Diese Beschlüsse müssen innerhalb einer Frist von einem Monat nach Beschlussfassung angefochten werden. Stellt das Gericht die Rechtswidrigkeit des Beschlusses rechtskräftig fest, so wirkt dies auf den Tag der Beschlussfassung zurück. Bis zur Rechtskraft der Entscheidung bleibt der Beschluss also gültig (schwebend). Das Gericht kann jedoch schon vorher eine einstweilige Anordnung treffen (§ 44 Abs. 4 WEG).
Erfolgt keine Beschlussanfechtung, wird der Beschluss rechts- und bestandskräftig. Jeder Eigentümer muss diesen Beschluss akzeptieren.
Beispiele für ungültige Beschlüsse
- Einberufungsmängel
- Unzureichende Angaben zu Tagesordnungspunkten in der Einladung
- Abstimmungen zu Sachverhalten, die nicht auf der Tagesordnung standen
- Verstöße gegen die Gemeinschaftsordnung
- Verstöße durch unzulässige Gebrauchsregelungen
- Falsche Stimmauszählung
- Fehlerhafte Jahresabrechnungen
Nichtige Beschlüsse
Nichtig sind Beschlüsse, die gegen die Vereinbarungen der Gemeinschaftsordnung oder Teilungserklärung verstoßen oder die gegen eine Rechtsvorschrift verstoßen auf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden kann. Nichtigkeit kann auch drohen, wenn die Eigentümergemeinschaft einen Beschluss fasst, der völlig unbestimmt, in sich widersprüchlich oder sachlich undurchführbar ist (so das LG Berlin, Az.: 55 S 52/12 WEG, das sich mit der Beschlussfassung zur Verlegung und Dezentralisierung des Müllstandsplatzes befassen durfte).
Der Antrag an das Gericht festzustellen, dass der betreffende Beschluss nichtig ist, ist jederzeit zulässig. Für die Feststellung der Nichtigkeit gilt nicht die einmonatige Anfechtungsfrist nach § 45 WEG, die Berufung auf die Nichtigkeit solcher Beschlüsse ist zu jeder Zeit möglich.
Beispiele zu nichtigen Beschlüssen
- Änderungen zum Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums.
Beispiel: Auf der Eigentümerversammlung beschließt eine Mehrheit, dass die Wohnungseingangstüren (wesentlicher Bestandteil des Gebäudes) ab sofort zum Sondereigentum gehören und jeder Eigentümer selbst für Reparatur oder Ersatz zuständig ist. - Eigentümern werden an Teilen des gemeinschaftlichen Eigentums Sondernutzungsrechte eingeräumt.
Beispiel: Der große Gemeinschaftsgarten wird durch Mehrheitsbeschluss den Eigentümern der Erdgeschoßwohnung zur exklusiven Nutzung überlassen. - Da teure Erhaltungsmaßnahmen anstehen, beschließt die Gemeinschaft durch Mehrheitsbeschluss die Auflösung der Eigentümergemeinschaft und den Verkauf des Objektes.
- Jeder Wohnungseigentümer hat das Recht sein Wohnungseigentum zu veräußern. Existiert eine Veräußerungsbeschränkung, darf eine Zustimmungsverweigerung nur aus wichtigem Grund erfolgen.
Beispiel: Herr Meier möchte seine Wohnung an eine Familie mit drei Kindern verkaufen. Die hauptsächlich kinderlosen Miteigentümer verweigern die Zustimmung, da sie erhebliche Lärmbelästigungen befürchten. - Vereinbarte Veräußerungsbeschränkungen, können durch Beschluss aufgehoben werden. Diese Befugnis kann durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.
- Die Hausverwalterbestellung darf nicht ausgeschlossen werden.
- Die Gültigkeit eines Beschlusses außerhalb der Eigentümerversammlung benötigt - bis auf wenige Ausnahmen - die Zustimmung aller Eigentümer.
- Die Bestellung einer Hausverwaltung darf für höchstens fünf Jahre erfolgen. Bei Erstbestellung nach Gründung einer Wohnungseigentümergemeinschaft höchstens drei Jahre.
- Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat keine Befugnis, dem einzelnen Wohnungseigentümer außerhalb der Kosten und Lasten Leistungspflichten aufzuerlegen.
Beispiel: Da die Gemeinschaft Kosten sparen möchte, wird die Pflege der gemeinschaftlichen Flächen reihum auf alle Eigentümer verteilt.
Wie erkenne ich, ob ein Beschluss nichtig oder rechtswidrig ist?
Das ist oft schwer zu erkennen oder wie ein Kollege süffisant bemerkte: "Das sagt der Eigentümergemeinschaft spätestens der Amtsrichter". Beherzigen sie bei Beschlussanträgen folgendes:
- studieren sie die Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung und respektieren sie die dort getroffenen Vereinbarungen,
- die Beschlusskompetenz der Gemeinschaft bezieht sich auf die ordnungsmäßige Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums,
- nötigen sie keinem Wohnunungseigentümer Pflichten außerhalb der Kosten und Lasten auf
- und behandeln sie alle Wohnungseigentümer gleich.
Checkliste Beschlussanfechtung – was ist zu beachten
- Was kann angefochten werden? Im Zweifel jeder Beschluss!
- Anfechtungsfrist? Ein Monat ab dem Tag der Beschlussfassung!
- Wer darf anfechten? Jeder Wohnungseigentümer und auch die Hausverwaltung!
- Muss ein Rechtsanwalt beauftragt werden? Nein, in 1. Instanz ist keine rechtsanwaltliche Hilfe notwendig.
- Wo und wie muss der Beschluss angefochten werden? Ausschließlich schriftlich bei Gericht!
- Was passiert bis zum Urteil? Der Beschluss bleibt schwebend wirksam!
Die Anfechtung eines Beschlusses gegenüber der Wohnungseigentumsverwaltung ist wirkungslos!
Was prüft das Gericht?
- Die vom Antragsteller angeführten Beanstandungen. Das Gericht prüft stets auch die Nichtigkeit eines Beschlusses, auch wenn nur dessen Ungültigkeit begehrt wurde (BGH NJW 2003, 3550).
- Von Amts wegen zu beachtenden Mängel sowohl formeller (z.B. Einberufungsmängel, Beschlussunfähigkeit) als auch inhaltlicher Art (z.B. fehlerhafte Kostenverteilung in der Jahresabrechnung).
Haftungsgefahren
Ein Beschluss bleibt bis zur Entscheidung des Gerichts schwebend wirksam.
Beispiel Jahresabrechnung: Die Anfechtung einer Beschlussfassung über eine Jahresabrechnung oder einen Wirtschaftsplan ändert nichts daran, dass der Beschluss verbindliche Anspruchsgrundlage bleibt. Die Hausverwaltung kann evtl. Nachzahlungen einfordern.
Beispiel Sanierung: Die Beschlussfassung über eine umstrittene Sanierungsmaßnahme bleibt trotz Anfechtung wirksam, bei der Durchführung können also vollendete Tatsachen geschaffen werden.
Für den WEG-Verwalter können sich bei der Durchführung angefochtener Beschlüsse (Haftungs-) Probleme ergeben. Steht z.B. eine Sanierungsmaßnahme bevor, deren Anfechtung sich bereits abzeichnet, sollte sich die Verwaltung schriftlich von den übrigen Wohnungseigentümern versichern lassen, dass der Beschluss ungeachtet etwaiger Anfechtungen durchzuführen ist. Umgekehrt sollte eine Hausverwaltung bei nicht eilbedürftigen Maßnahmen auch einen Beschluss anregen, der die Ausführung ausdrücklich bis zur Beendigung des Anfechtungsverfahrens aussetzt.