Aufwendungsersatz einzelner Erwerber gegen Veräußerer

Haben einzelne Erwerber von Wohnungseigentum den Veräußerer in Verzug mit der Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gesetzt und danach die Mängel beseitigen lassen, können sie Ersatz ihrer Aufwendungen gemäß § 633 Abs. 3 BGB verlangen. 
Die Klage ist auch dann erfolgreich, wenn sie den Anspruch mangels wirksamer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung zu Unrecht auf § 635 BGB gestützt haben, denn das Gericht ist verpflichtet, den Prozeßstoff unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen.

Tatbestand:

Die Kläger verlangen Ersatz von Mängelbeseitigungskosten.

Die Kläger erwarben von den Beklagten Wohnungseigentum. Zusammen mit dem weiteren Erwerber W. verfügen die Kläger über 731/1000 der Miteigentumsanteile. In den Erwerbsverträgen mit den Klägern verpflichteten sich die Beklagten zu umfangreichen Modernisierungsarbeiten. Wegen Verzögerungen bei der Fertigstellung der Modernisierungsarbeiten sowie der Beseitigung der festgestellten Mängel setzten die Kläger den Beklagten am 23. März 1998 eine Frist zur Vollendung der Arbeiten bis zum 8. April 1998 und kündigten gleichzeitig an, nach Fristablauf die Arbeiten abzulehnen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend zu machen.

Nachdem die Beklagten hierauf nicht reagierten, beantragten die Kläger zusammen mit W. am 8. April 1998 vor dem Landgericht ein selbständiges Beweisverfahren zum Zustand des Gebäudes und den erforderlichen Fertigstellungsarbeiten. In diesem Verfahren erstellte der Sachverständige L. ein Gutachten. Die Kläger sowie W. ließen anschließend die dort genannten Arbeiten durchführen. Die Kosten übernahmen die Kläger und W. entsprechend ihren Eigentumsanteilen.

Die Kläger haben zunächst beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung an die einzelnen Kläger in Höhe der jeweils von diesen verauslagten Beträge zu verurteilen. Gegen den Beklagten zu 1 ist antragsgemäß ein inzwischen rechtskräftiges Teilversäumnisurteil ergangen. Nachdem einer der von den Klägern und W. mit den Mängelbeseitigungsarbeiten beauftragten Unternehmer an die Kläger einen Teil der von diesen bereits gezahlten Vergütung zurückerstattet hat, haben diese den Rechtsstreit in Höhe der jeweils erhaltenen Beträge für erledigt erklärt. Der Beklagte zu 2 ist den Teilerledigungserklärungen entgegengetreten.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Im Berufungsverfahren haben die Kläger zusätzlich im Wege der Anschlußberufung einen Hilfsantrag auf Zahlung der Klagesumme an die Eigentümergemeinschaft gestellt. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten zu 2 das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Klage sowie die Anschlußberufung als unzulässig erachtet. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre im zweiten Rechtszug gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung anzuwenden (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die auf Zahlung gerichteten Klageanträge seien unzulässig. Es könne dahinstehen, ob die Kläger befugt seien, den Schadensersatzanspruch selbständig durchzusetzen oder ob hierfür ein Gemeinschaftsbeschluß notwendig sei. Denn jedenfalls könnten sie bezüglich der Ansprüche für die Aufwendungen am Gemeinschaftseigentum nicht Zahlung an sich, sondern nur Zahlung an die Gemeinschaft verlangen. Der nach den Mängelbeseitigungskosten berechnete Schadensersatzanspruch wegen behebbarer Mängel am Gemeinschaftseigentum, wie er hier zum Teil geltend gemacht werde, könne grundsätzlich nur mit dem Antrag auf Zahlung an die Gemeinschaft durchgesetzt werden. Die Klageanträge würden nicht zwischen aufgewandten Kosten für das Gemeinschaftseigentum und solchen für das Sondereigentum differenzieren. Damit entsprächen diese nicht den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Antrag auf Feststellung, daß sich der Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise erledigt habe, sei unbegründet, weil die Klage aus den genannten Gründen unzulässig gewesen sei. Die Anschlußberufung sei verfristet, Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Kläger können die Erstattung der Mängelbeseitigungskosten an sich jedenfalls gemäß § 633 Abs. 3 BGB verlangen. Dem steht nicht entgegen, daß ein Teil dieser Kosten für die Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum aufgewandt worden ist.

1. Es kann dahin stehen, ob die Kläger einen Schadensersatzanspruch in Höhe der Mängelbeseitigungskosten gemäß § 635 BGB haben, den sie mit Zahlung an sich durchsetzen können. Allerdings teilt der Senat nicht die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klage scheitere schon daran, daß die Kläger Zahlung an sich verlangten. Da die Mängel am Gemeinschaftseigentum beseitigt sind, besteht kein Grund, denjenigen Erwerbern, die die Mängel beseitigt haben, das Recht zu versagen, Zahlung an sich zu fordern. Nach mangelfreier Herstellung des Gemeinschaftseigentums hat die Wohnungseigentümergemeinschaft kein schützenswertes Interesse, die Mittel zu erlangen, die einzelne Erwerber zur Beseitigung der Mängel aufgewandt haben. Anders ist das, wenn die Mängel noch nicht beseitigt sind und der einzelne Erwerber Schadensersatz in Höhe der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten verlangt. In diesem Fall muß sichergestellt werden, daß die zur Beseitigung der Mängel am Gemeinschaftseigentum erforderlichen Mittel der Wohnungseigentümergemeinschaft zufließen. Deshalb verlangt die Rechtsprechung, vorbehaltlich eines abweichenden Beschlusses der Wohnungseigentümer, daß der Antrag auf Zahlung an die Gemeinschaft gestellt wird (BGH, Urteil vom 6. Juni 1991 - VII ZR 372/89, BGHZ 114, 383, 388; Urteil vom 7. Juni 2001 - VII ZR 420/00, BGHZ 148, 85, 88).

Bedenken gegen einen Schadensersatzanspruch gemäß § 635 BGB könnten jedoch bestehen, weil die Wohnungseigentümergemeinschaft nach dem in der Revisionsinstanz zu unterstellenden Sachverhalt vor der Beseitigung der Mängel am Gemeinschaftseigentum keinen Beschluß gefaßt hat, den Beklagten eine Frist mit Ablehnungsandrohung zu setzen und deshalb die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nicht wirksam geschaffen worden sein könnten (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1998 - VII ZR 47/97, BauR 1998, 783 = ZfBR 1998, 245). Darauf kommt es nicht an, denn die Kläger können Erstattung der Mängelbeseitigungskosten mit Zahlung an sich jedenfalls gemäß § 633 Abs. 3 BGB fordern.

2. Den Klägern steht der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der für die Mängelbeseitigung aufgewandten Kosten jedenfalls gemäß § 633 Abs. 3 BGB zu.

Danach kann der Besteller einen Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn der Unternehmer mit der Beseitigung des Mangels in Verzug ist. Im Falle des Erwerbs von Wohnungseigentum hat jeder einzelne Erwerber aus dem jeweiligen Vertrag mit den Baubeteiligten einen individuellen Anspruch auf mangelfreie Werkleistung auch in Bezug auf das gesamte Gemeinschaftseigentum (BGH, Urteil vom 10. Mai 1979 - VII ZR 30/78, BGHZ 74, 258, 263; Urteil vom 6. Juni 1991 - VII ZR 372/89, BGHZ 114, 383, 389). Jedenfalls solange kein abweichender Beschluß der Wohnungseigentümer vorliegt, ist jeder Erwerber berechtigt, seine Ansprüche auf Erfüllung des Vertrages auch hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums gegen den Vertragspartner selbständig geltend zu machen und diesen in Verzug zu setzen. Denn der Erwerber, der selbständig die Mängelbeseitigung verfolgt, handelt grundsätzlich im wohlverstandenen Interesse aller Wohnungseigentümer (BGH, Urteil vom 10. Mai 1979 - VII ZR 30/78, BGHZ 74, 258, 264). Dem Erwerber steht im Falle des Verzugs mit der Mängelbeseitigung gegenüber dem Vertragspartner das Selbstvornahmerecht zu. Er kann selbständig Vorschuß jedenfalls mit Zahlung an die Gemeinschaft verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 1977 - VII ZR 36/76, BGHZ 68, 372, 377; Urteil vom 6. Juni 1991 - VII ZR 372/89, BGHZ 114, 383, 389). Hat er die Mängelbeseitigung durchgeführt, steht ihm der Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 633 Abs. 3 BGB zu (BGH, Urteil vom 5. Mai 1977, aaO.; Urteil vom 4. Juni 1981 - VII ZR 9/80, BGHZ 81, 35, 38; Urteil vom 21. Februar 1985 - VII ZR 72/84, BauR 1985, 314 = ZfBR 1985, 132; Urteil vom 15. April 2004 - VII ZR 130/03, BauR 2004, 1148 = NZBau 2004, 435 = ZfBR 2004, 557). In diesem Fall besteht kein Grund, ihm das Recht zu versagen, Zahlung an sich zu fordern.

Die Kläger haben die Erstattung der Mängelbeseitigungskosten als Schadensersatz gefordert. Das hindert nicht, der Klage mit der Begründung stattzugeben, der Anspruch bestehe gemäß § 633 Abs. 3 BGB. Das Berufungsgericht war verpflichtet, den Prozeßstoff unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen (BGH, Urteil vom 20. März 1997 - IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140, 149). Wird die Klage auf Erstattung der für die Mängelbeseitigung aufgewandten Kosten auf § 635 BGB gestützt, so liegt darin keine Begrenzung des Streitgegenstandes. Dieser wird bestimmt durch das allgemeine Rechtsziel und die erstrebte konkrete Rechtsfolge, wie sie sich aus dem Klageantrag ergeben, sowie aus dem Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGH, Urteil vom 18. Juli 2002 - III ZR 287/01, BauR 2002, 1831). Auf die materiellrechtliche Begründung der Klage kommt es dabei regelmäßig nicht an.

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