Die Instandhaltungsrücklage heißt nach der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes nun Erhaltungsrücklage (§ 19 Abs. 2 Satz 4). Die Ansammlung derselben ist Bestandtteil der ordnungsmäßigen Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums und ist Bestandteil des monatlich zu zahlenden Hausgeldes.
Eine allgemeine Angabe darüber, welcher Betrag pro m² / Jahr angemessen ist, ist jedoch nicht möglich. Ein altes Haus, für das noch keine ausreichende Rücklage besteht, wird die Ansammlung einer größeren Summe erfordern, da hier mit einem erhöhten Reparaturbedarf zu rechnen ist. Ebenso macht es einen Unterschied, ob ein Aufzug vorhanden ist, Kinderspielplätze regelmäßig gewartet werden müssen oder eine Zentralheizungsanlage ihren Dienst verrichtet. Die Höhe der Rücklagenzuführung kann also von Objekt zu Objekt sehr unterschiedlich sein. Nicht unüblich ist auch eine zeitweise starke Anhebung, wenn umfangreiche Maßnahmen durchgeführt werden müssen.
Erfahrungen in der Verwaltungspraxis zeigen, dass die von den Wohnungseigentümern beschlossene Höhe der Rücklagenzuführung oft unzureichend ist. Grund hierfür ist ein mangelndes Bewusstsein bzw. ein zu großer Optimismus hinsichtlich des mittel- und langfristig zu erwartenden Instandsetzungsaufwandes.
Anlage der Erhaltungsrücklage
Die Erhaltungsrücklage darf nicht spekulativ angelegt werden. Aktien, Derivate, Obligationen oder eine Anlage in Rohstoffe sind unzulässig, ein entsprechender Beschluss wäre anfechtbar (OLG Celle, ZMR 2004, 845).
Zweck der Erhaltungsrücklage
Die Erhaltungsrücklage dient der Vorsorge, damit notwendige Reparaturen nicht an Geldmangel scheitern (OLG Frankfurt DWE 1974, 29). Eine zu niedrige oder zu hohe Erhaltungsrücklage widerspricht ordnungsmäßiger Verwaltung (OLG Hamm, ZMR 2006, 879).
Wofür kann die Rücklage eingesetzt werden?
- Instandsetzung: Hierzu zählen Maßnahmen zur Beseitigung größerer baulicher Schäden und Mängel, die durch Alterung, Abnutzung, Unterlassung der laufenden Instandhaltung oder durch Einwirkung Dritter entstanden sind.
- Instandhaltung: Als Instandhaltung werden alle erforderlichen Maßnahmen bezeichnet, um normale und verbrauchsbedingte Abnutzungserscheinungen zu beseitigen. Zu nennen sind hier Schönheitsreparaturen, Kleinreparaturen an Elektro- und Sanitärinstallationen, Wartungs- und Reinigungsmaßnahmen bei Heizungs- und Warmwasseranlagen.
Ziel ist die Aufrechterhaltung des ursprünglichen Zustands durch pflegende, erhaltende und vorsorgende Maßnahmen (OLG Hamm, 23.1.1987, 15 W 429 + 434/86; KG Berlin, 14.6.1993, 24 W 5328/92). - Gutachten zur Erkundung eines Sanierungskonzeptes.
- Anwaltliche Beratung in Zusammenhang mit einer Erhaltungsmaßnahme
- Ersatzbeschaffung von Gerätschaften
- Neubepflanzung der Grünanlage
Die Erhaltungsrücklage ist zweckgebunden! Ist die Gemeinschaft knapp bei Kasse, ist der Kauf von Heizöl, die Deckung von Hausgeldausfällen oder die Bezahlung des Verwalters mit Hilfe der Erhaltungsrücklage als kurzfristige Maßnahme möglich. Es muss jedoch ein angemessener Sockelbetrag verbleiben.
Berechnungsmöglichkeiten
1. Schätzung der anfallenden Kosten
Man sollte hierbei überschlagsmäßig unter Berücksichtigung zukünftiger Preissteigerungen schätzen, welche größeren Reparaturen oder Ersatzbeschaffungen in den nächsten Jahren erforderlich sind. Hierbei ist zu denken an Fassadenschäden, Reparatur oder Ersatz der Heizungsanlage, Aufzug, Arbeiten am Treppenhaus, Dacheindeckung.
Einen Anhaltspunkt können die steuerlichen Abschreibungstabellen geben, sie betragen z.B. bei Wasserenthärtungsanlagen 12 Jahre.
Hilfreich zur Ermittlung der notwendigen Höhe kann die folgende Zusammenstellung über die Lebensdauer einiger Gebäudebestandteile und die Kosten der Erneuerung dieser Bestandteile sein. Die Zahlen basieren beispielhaft auf einer Veröffentlichung der IDUNA NOVA.
Bauteil | Lebensdauer | %Kosten der ursprünglichen Herstellungskosten |
Anstriche, Teppiche, Tapeten | 5-10 Jahre | 100 |
Dachentwässerung, Bleche | 10-20 Jahre | 240 |
Heizung, Lüftung | 10-20 Jahre | 280 |
Kaminkopf | 15-20 Jahre | 100 |
Elektroinstallation | 10-30 Jahre | 160 |
Sanitärinstallation | 10-30 Jahre | 270 |
Ziegeldach, Dachhaut | 20-30 Jahre | 180 |
Außenputz | 20-30 Jahre | 180 |
Holz außen | 20-30 Jahre | 130 |
Haustüre, Fenster, Mauern, Wände, Fliesen | 30-50 Jahre | 80 |
Dachstuhl | 80-100 Jahre | 200 |
Außenwände | 80-100 Jahre | 20 |
2. Peters'sche Formel
In der Verwaltungspraxis wurden mehrere Ansätze entwickelt, eine angemessene Höhe der Rücklagenzuführung über eine Formel abzuleiten. Der bekannteste Ansatz dürfte die von dem Architekten Peters entwickelte sogenannte "Peters'sche Formel" sein.
Baukosten x 1,5 x 65 bis 70 / 80 x Wohnfläche x 100
Sie geht davon aus, dass im Laufe von geschätzten 80 Jahren Lebensdauer eines Gebäudes Instandhaltungskosten in Höhe des 1,5-fachen der Herstellkosten anfallen, hiervon je nach Ausstattung 65-70 % das Gemeinschaftseigentum betreffend.
Ein Beispiel: Unterstellt man historische Baukosten in Höhe von € 400.000 (selbstverständlich ohne Grundstücksanteil), eine Gesamtwohnfläche von 400 m² und einen Anteil von 65 % Gemeinschaftseigentum, würde sich die Rücklagenzuführung pro m² und Jahr nach der Peters'schen Formel wie folgt ergeben:
400.000 x 1,5 x 65 / 80 x 400 x 100 = 12,19 €
Die so errechneten Beträge übersteigen die üblichen Sätze oft ganz erheblich. Trotzdem ist die Formel im Prinzip richtig. Sie führt in der Anfangszeit deswegen zu hohen Summen, weil dann die laufend zu entrichtenden Beträge die Inflationsraten der kommenden Jahrzehnte enthalten. Geht man zunächst davon aus, dass wenig Mittel gebraucht werden und das daher durch Zins und Zinseszins ein Zuwachs eintritt, der die Steigerung der Baukosten mindestens teilweise ausgleicht, so kann man später zu niedrigeren Aufwendungen kommen. Je länger das Gebäude steht, desto unausweichlicher wird die Anwendung der Peters'schen Formel.
Nachteil der Peters'schen Formel
Der Nachteil der Peters'schen Formel liegt darin, dass durch das Anknüpfen an die historischen Baukosten die Rücklagenzuführung für ältere Objekte - bei einer späteren Anwendung der Formel - in der Regel zu niedrig angesetzt wird.
3. Ansatz gemäß II. Berechnungsverordnung
Ein Anknüpfen an die geltenden Höchstsätze der II. BV (§ 28 Abs. 2 II. BV) führt zu folgenden Werten für die Rücklagenbildung pro m² / Jahr in Abhängigkeit vom Baujahr:
Instandhaltungskosten (§ 28 II. BV)
Die Zuordnung der Baualtersklassen erfolgt dynamisch, d.h. im Zeitablauf, wenn die Wohnungen älter werden, erfolgt automatisch eine Zuordnung zur nächst höheren Klasse. Als Instandhaltungskosten je Quadratmeter Wohnfläche dürfen angesetzt werden für Wohnungen deren Bezugsfertigkeit am Ende des Kalenderjahres
a) weniger als 22 Jahre zurückliegt, höchstens 7,10 €
b) mindestens 22 Jahre zurückliegt, 9,00 €
c) mindestens 32 Jahre zurückliegt, höchstens 11,50 €
Zwei Praxisbeispiele
Hier liegen Glück und Pech dicht beieinander!
Beispiel 1: Eine 114m² große Wohnung, Baujahr 2000, Wohnanlage mit 24 Wohnungen.
Betriebskosten |
3.120,00 € |
Verwaltung |
288,00 € |
Erhaltungsrücklage |
300,00 € |
Summe Hausgeld |
3.708,00 € |
Beträge gerundet |
Man glaubt es kaum, aber es ist so. Unser Eigentümer zahlte fünfzehn Jahre nur 300,00 Euro jährlich in die Rücklage ein. Wie kam das?
- Die Eigentümergemeinschaft setzte auf den fünfjährigen Gewährleistungsanspruch und verschob die Ansammlung einer ausreichenden Instandhaltungsrücklage in die Zukunft. Sehr beliebt bei Neubauprojekten.
- Dann war da noch der Rechtsstreit mit dem Bauträger, der nach knapp 10 Jahren (!) zur Behebung diverser Mängel tatsächlich Geld in die Kasse spülte. Allerdings nicht so viel, wie erhofft.
Die Gewährleistung ist Geschichte. Die Schadensersatzzahlungen wegen diverser Baumängel wurden verbraucht. Eine nennenswerte Rücklage gab es immer noch nicht. Unser Eigentümer hatte Glück, er verkaufte die Wohnung rechtzeitig vor der ersten Sonderumlage.
Beispiel 2: Zwei 70m² große Wohnungen, Baujahr 1971, Wohnanlage mit 80 Wohneinheiten.
Betriebskosten |
6.000,00 € |
Verwaltung |
552,00 € |
Erhaltungsrücklage |
10.800,00 € |
Summe Hausgeld |
17.352,00 € |
Beträge gerundet |
Bevorstehende Brandschutz- und damit einhergehende teure Asbestsanierungen im Gemeinschaftseigentum führten zu einer drastischen Anhebung der Beiträge zur Erhaltungsrücklage. Für unseren Eigentümer unerfreulich. Obwohl die Wohnungen zentral liegen ist ein Verkauf aktuell nur mit einem erheblichen Abschlag möglich. Interessenten sind abgeschreckt und fragen nach, was mit dem Objekt los ist.