Bauliche Veränderung, Modernisierung, modernisierende Instandsetzung - diese Begriffe sind nicht nur unter technischen Aspekten von Bedeutung, sie stellen auch immer wieder die Weichen für die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen einer Eigentümerversammlung. Denn ob eine bestimmte Veränderung des Bauwerks juristisch dem einen oder dem anderen Begriff entspricht, hat Auswirkung. Der BGH hat sich (Az. V ZR 224/11) umfassend mit der vom Wohnungseigentumsgesetz verwendeten Nomenklatur beschäftigt.
Einordnung einer Maßnahme
Abschließend lassen sich die drei gesetzlich verwendeten Begriffe - und ihre Auswirkung auf die erforderlichen Mehrheiten in der Eigentümerversammlung - im Licht dieser BGH-Entscheidung wie folgt darstellen:
- Bauliche Maßnahmen (bauliche Veränderungen)
- sind solche, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder -setzung des Gemeinschaftseigentums hinausgehen
- Grundsätzlich können bauliche Veränderungen nun mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Die Kosten einer baulichen Veränderung, die einem Wohnungseigentümer gestattet oder die auf sein Verlangen durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durchgeführt wurde, hat dieser Wohnungseigentümer zu tragen. Die Kosten sollen nur dann von allen Wohnungseigentümern zu tragen sein, wenn die bauliche Veränderung mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen wurde.
- Modernisierungen und Maßnahmen, die der Anpassung des gemeinschaftlichen Eigentums an den Stand der Technik dienen
- erhöhen den Gebrauchswert der Sache nachhaltig (im Sinne von § 559 BGB)
- ändern die Eigenart der Wohnanlage nicht
- Ausreichend ist die einfache Mehrheit der bei der Eigentümerversammlung anwesenden Eigentümer
- Modernisierende Instandsetzungen
- dienen allgemein dem Erhalt des gemeinschaftlichen Eigentums
- "Modernisierende" Instandsetzungen gehen über die bloße Reparatur oder Wiederherstellung hinaus, sind aber technisch besser und wirtschaftlich sinnvoller (Kosten-Nutzen-Analyse!) als die bloße Wiederherstellung
- Ausreichend ist die einfache Mehrheit der bei der Eigentümerversammlung anwesenden Eigentümer
Kriterien zur Fallentscheidung
Im Vorfeld einer zu beschließenden Maßnahme können die in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien herangezogen werden, die in der Art eines Fragenkataloges für eine einzelne Baumaßnahme abgearbeitet werden können. Werden alle Fragen mit Ja beantwortet, ist davon auszugehen, dass eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 vorliegt und keine bauliche Veränderung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG (Köhler Bassenge Hrsg:, Anwaltshandbuch Wohnungseigentumsrecht, Verlag Dr. Otto Schmidt, 2009, Seite 492).
- Sind der grundsätzliche Bestand und die Benutzbarkeit in der bisherigen Form sichergestellt?
- Ist grundsätzlich eine Maßnahme erforderlich, um einen Mangel zu beseitigen, wodurch ordnungsgemäße Nutzung oder Gebrauch beeinträchtigt werden?
- Steht der wirtschaftliche Aufwand in vertretbarem Verhältnis zum Erfolg und ist die Finanzierung gesichert?
- Werden mit der Maßnahme bestehende oder erkennbar kommende gesetzliche oder behördliche Auflagen eingehalten oder erfüllt?
- Ist eine dauerhafte störende Einwirkung der Maßnahme auf das Gemeinschaftseigentum, auf das Sondereigentum und auf die Gesundheit der Miteigentümer ausgeschlossen?
Ein Fall aus der Praxis
In einer großen verbundenen Eigentümergemeinschaft waren die Fassaden der 1972 erbauten Häuser mit Eternitplatten verkleidet, im Laufe der Zeit traten erhebliche Schäden auf. Der hinzugezogene Gutachter empfahl 1999 die Sanierung der Fassade und stellte drei Alternativen vor. Die Wohnungseigentümer hatten die Möglichkeit zur Reparatur der Fassade durch Befestigung der losen Platten und Austausch gebrochener Platten, zum Aufbringen einer neuen Beschichtung (Fassadenertüchtigung) und schließlich zur Erneuerung der gesamten Plattenverkleidung und gleichzeitiger Anpassung der Wärmedämmung an den aktuell geltenden Standard. Die Eigentümergemeinschaft entschied sich für die letzte Variante - Erneuerung der Plattenverkleidung inkl. Wärmedämmung. Die Maßnahme sollte über einen Zeitraum von sieben Jahren durchgeführt und finanziert werden.
Der dagegen klagende Eigentümer hatte vor dem Bayerischen Oberlandesgericht keinen Erfolg. Grundsätzlich ist unter Instandsetzung die Wiederherstellung des ursprünglichen ordnungsmäßigen Zustands zu verstehen. Das BayObLG sieht darüber hinaus eine Maßnahme auch dann als eine solche ordnungsmäßiger Instandsetzung an, wenn sie sich nicht auf die bloße Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands in Form einer Reparatur beschränkt. Entscheidend ist eine Abwägung aller Vor- und Nachteile einer bloßen Reparatur des vorhandenen Zustands einerseits und der Herstellung eines neuen Zustands andererseits. Ist eine Maßnahme wirtschaftlich sinnvoll und hält sie sich im Bereich erprobter und bewährter Techniken, so kann eine Instandsetzungsmaßnahme auch dann vorliegen, wenn der ursprüngliche Zustand des Gebäudes verändert wird.
Auf den oben aufgeführten Fragenkatalog bedeutet dies:
- Sind der grundsätzliche Bestand und die Benutzbarkeit in der bisherigen Form sichergestellt?
Ja, kein Eingriff in das Sondereigentum, keine z.B. flächenmäßige Änderung des Gemeinschaftseigentums. - Ist grundsätzlich eine Maßnahme erforderlich, um einen Mangel zu beseitigen, wodurch ordnungsgemäße Nutzung oder Gebrauch beeinträchtigt werden?
Ja, die Fassadenplatten sind marode, es besteht Handlungsbedarf. - Steht der wirtschaftliche Aufwand in vertretbarem Verhältnis zum Erfolg und ist die Finanzierung gesichert?
Ja, der Gutachter geht von einer langen Lebensdauer aus, die Maßnahme kann finanziert werden. - Werden mit der Maßnahme bestehende oder erkennbar kommende gesetzliche oder behördliche Auflagen eingehalten oder erfüllt?
Ja, die Dämmung ist eine notwendige Folge der Fassadenerneuerung, denn gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 WärmeschutzV sind bei der Erneuerung von Außenwänden an Wohngebäuden die Anforderungen der Wärmeschutzvorschriften einzuhalten. - Ist eine dauerhafte störende Einwirkung der Maßnahme auf das Gemeinschaftseigentum, auf das Sondereigentum und auf die Gesundheit der Miteigentümer ausgeschlossen?
Ja.