Grundsätzlich können bauliche Veränderungen nun mit einfacher Mehrheit beschlossen werden (§ 20 Abs. 2 WEG). Jedem einzelnen Eigentümer wird zudem das Recht zugestanden, eine angemessene bauliche Veränderung für bestimmte Maßnahmen zu verlangen. Diese privilegierten Maßnahmen umfassen den behindertengerechter Umbau, die Lademöglichkeit für ein elektrisch betriebenes Fahrzeug, den Einbruchschutz und das "schnelle Internet" (§ 20 Abs. 2 WEG).
In der Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (DAA) zum Referentenentwurf des BMJV für ein Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEModG) führt der DAA aus: "Die privilegierten Maßnahmen mögen im Moment des Gesetzgebungsverfahrens besonders wichtig erscheinen, in wenigen Jahren sind aber womöglich ganz andere Themen aktuell / vordringlich."
Ja, da hat der DAA recht. Warum ist z.B. die Anbringung von Solarmodulen an der Fassade oder die kleine Windkraftanlage auf der Dachterrasse für die eigene Energieversorgung nicht privilegiert?
Möchte ein einzelner Eigentümer eine bauliche Veränderung unabhängig von den in Absatz 2 beschriebenen Maßnahmen durchführen und er erhält keine Mehrheit, muss die Gemeinschaft die bauliche Veränderung gestatten, wenn alle Wohnungseigentümer - deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden - zustimmen (§ 20 Abs. 3 WEG). Also den Beschluss anfechten und die Angelegenheit vor Gericht klären lassen.
Bauliche Veränderungen dürfen nicht beschlossen, gestattet und verlangt werden, wenn es sich um eine grundlegende Umgestaltung der Anlage handelt oder wenn ein nicht zustimmender Eigentümer gegenüber anderen unbillig benachteiligt wird. (§ 20 Abs. 4 WEG)
Der neue § 20 WEG ist hier in Bezug auf bauliche Veränderungen nicht wirklich klarer als die bisherige Regelung. Eigentümer und WEG-Verwalter machen wie zuvor Bekanntschaft mit unbestimmten Rechtsbegriffen:
- angemessene bauliche Veränderung (§ 20 Abs. 2)
- deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden (§ 20 Abs. 3)
- grundlegende Umgestaltung (§ 20 Abs. 4)
- unbillige Benachteiligung (§ 20 Abs. 4)
In der Beschlussempfehlung zum Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) wird daher auch festgehalten, dass Einzelfallentscheidungen notwendig sind. Das Produkt wird also beim Kunden - in diesem Fall Wohnungseigentümer, WEG-Verwalter, Anwälte, Gerichte - reifen.
Wer muss die bauliche Veränderung bezahlen?
Die Nutzungen und Kosten der baulichen Veränderungen werden in § 21 WEG geregelt. Grob gesagt, gilt "Wer bestellt, zahlt!"
- Lässt ein Eigentümer an seinem Tiefgaragenplatz eine Strom-Ladesäule anbringen, muss er die bauliche Veränderung aus eigener Tasche zahlen. (Abs. 1)
- Wünschen drei von neun Eigentümern den Einbau eines Aufzugs, müssen sie die Kosten nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile aufbringen. (Abs. 3)
In beiden Fällen gilt, dass die Eigentümer alleine den Nutzen aus der baulichen Veränderung ziehen dürfen. Es darf also kein anderer Eigentümer seinen PKW an der Ladesäule anschließen oder den Aufzug nutzen. (Abs. 1, Satz 2 und Abs. 3 Satz 2)
Das Quorum zur Sicherheit
Unabhängig von der Anzahl der stimmberechtigten Eigentümer und den vertretenen Miteigentumsanteilen ist die Eigentümergemeinschaft beschlussfähig. Dies kann dazu führen, dass bauliche Veränderungen von der anwesenden Minderheit beschlossen werden, die laut Beschluss aber alle bezahlen sollen. Aus diesem Grund wurde in § 21 Absatz 2 Satz 1 ein Quorum eingeführt.
Die Kosten einer baulichen Veränderung sollen nur dann von allen Wohnungseigentümern zu tragen sein, wenn die bauliche Veränderung mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen wurde (§ 21 Abs. 2).
Zu beachten ist hier, dass sich die erforderliche Mehrheit NICHT auf Basis sämtlicher Wohnungseigentümer errechnet, sondern auf Basis der in der Eigentümerversammlung abgegebenen Stimmen. Diese Stimmen müssen jedoch mindestens die Hälfte ALLER Miteigentumsanteile repräsentieren.
Anfechtbar ist ein solcher Beschluss, wenn überstimmte Eigentümer nachweisen können, dass die Maßnahme:
- mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist oder
- sich die Kosten nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren.
Ein Amortisationszeitraum von 10 Jahren (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2012 – V ZR 224/11 Randnummer 10) soll ein wichtiger Anhaltspunkt sein.
Kosten und Amortisation
Die Kosten einer baulichen Veränderung nach § 21 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 sind grundsätzlich von allen Wohnungseigentümern zu tragen, wenn die bauliche Veränderung mit zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen wurde, also der Beschluss nach § 20 Absatz 1 eine solche Mehrheit erreicht hat.
Dieser Regelung liegt der Gedanke zugrunde, dass eine bauliche Veränderung, die von einem so großen Teil der Wohnungseigentümer befürwortet wird, typischerweise sinnvoll und angemessen ist und deshalb von allen Wohnungseigentümern bezahlt werden sollte. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Ist die bauliche Veränderung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, scheidet eine Kostentragung der überstimmten Minderheit aus.
Maßgeblich sind dabei nicht nur die zu erwartenden Baukosten, sondern auch die zu erwartenden Folgekosten für Gebrauch und Erhaltung. Diese Kosten sind in das Verhältnis zu den Vorteilen zu setzen, die die bauliche Veränderung verspricht. Dies verlangt eine wertende Betrachtung. Dabei ist ein objektiver, auf die konkrete Anlage bezogener Maßstab anzulegen. Entscheidend sind deshalb nicht die Bedürfnisse und finanziellen Mittel des einzelnen überstimmten Wohnungseigentümers, sondern die der Gesamtheit der Wohnungseigentümer in der Anlage. Je nach Charakter der Anlage und der Alters- und Sozialstruktur der Wohnungseigentümer kann die Bewertung unterschiedlich ausfallen. Bei besonders hohen Kosten ist eine Unverhältnismäßigkeit auch dann nicht ausgeschlossen, wenn alle Wohnungseigentümer finanziell in der Lage sind, diese Kosten zu tragen.
Wie bei § 21 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 kommt es allein auf die Beurteilung zum Zeitpunkt der Beschlussfassung an, also auf die zu erwartenden Kosten; die sich erst später zeigenden tatsächlichen Kosten spielen dagegen keine Rolle.
Derjenige muss die die Unverhältnismäßigkeit beweisen, der sie behauptet.
Kostentragung und taktisches Abstimmungsverhalten
Der Rechtsausschuss verkennt nicht, dass diese Regelung dazu führen kann, dass die individuelle Kostentragungspflicht erst nach der Beschlussfassung feststeht, wenn nämlich im Vorfeld nicht abgeschätzt werden kann, ob das Quorum erreicht wird. Dieses Problem kann durch eine geeignete Gestaltung des Abstimmungsverfahrens gelöst werden.
Insbesondere in kleineren Gemeinschaften kann es sinnvoll sein, die Abstimmung im Subtraktionsverfahren vorzunehmen. Dabei wird nicht nach den „Ja“-Stimmen, sondern nach den „Nein“-Stimmen gefragt. So kann jeder Wohnungseigentümer, wenn er sieht, dass die Zahl der „Nein“-Stimmen ein Drittel übersteigt, das Quorum also nicht erreicht werden kann, seine Hand auch noch heben.
Daneben ist es auch möglich, den Beschluss über die bauliche Veränderung unter die Bedingung einer entsprechenden Kostentragung zu stellen. Jeder Wohnungseigentümer, der die Baumaßnahme befürwortet, sich aber höchstens entsprechend seinem Miteigentumsanteil an den Kosten beteiligen möchte, kann dann bedenkenlos mit „Ja“ stimmen, denn wirksam wird der Beschluss eben nur dann, wenn es nach dem Stimmverhalten zu einer entsprechenden Kostentragung durch alle Wohnungseigentümer kommt.
Erläuterung aus der Beschlussempfehlung zum Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG):
Ich möchte eine bauliche Veränderung an deren Entstehungskosten ich mich nicht beteiligt habe nun doch nutzen, was tun?
Das können sie verlangen, hier kommt § 20 Abs. 4 WEG ins Spiel. Sie müssen einen angemessenen Ausgleich für die Baukosten zahlen und sich an den zukünftigen Kosten beteiligen. Hierzu die Erläuterung aus der Beschlussempfehlung zum Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG):
Diese ermöglicht es dem zuerst bauenden Wohnungseigentümer, einen angemessenen Ausgleich seiner Baukosten von denjenigen Wohnungseigentümern zu verlangen, welche aus eben diesen Bauvorleistungen einen Nutzen ziehen. Die Schaffung einer derartigen Anspruchsgrundlage ist auch notwendig."
Wortlaut WEG § 20 Bauliche Veränderungen NEU (1) Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), können beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden. (2) 1 Jeder Wohnungseigentümer kann angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderung, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge, dem Einbruchsschutz und dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität dienen. 2 Über die Durchführung ist im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu beschließen. (3) Unbeschadet des Absatzes 2 kann jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind. (4) Bauliche Veränderungen, die die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, dürfen nicht beschlossen und gestattet werden; sie können auch nicht verlangt werden.
Wortlaut WEG § 21 Nutzungen und Kosten bei baulichen Veränderungen NEU (1) 1 Die Kosten einer baulichen Veränderung, die einem Wohnungseigentümer gestattet oder die auf sein Verlangen nach § 20 Absatz 2 durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durchgeführt wurde, hat dieser Wohnungseigentümer zu tragen. 2 Nur ihm gebühren die Nutzungen. (2) Vorbehaltlich des Absatz 1 haben alle Wohnungseigentümer die Kosten einer baulichen Veränderung nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Absatz 1 Satz 2) zu tragen, die mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen wurde, es sei denn, die bauliche Veränderung ist mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, oder deren Kosten sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren. Für die Nutzungen gilt § 16 Absatz 1. (3) 1 Die Kosten anderer als der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten baulichen Veränderungen haben die Wohnungseigentümer, die sie beschlossen haben, nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Absatz 1 Satz 2) zu tragen. 2 Ihnen gebühren die Nutzungen entsprechend § 16 Absatz 1. (4) 1 Ein Wohnungseigentümer, der nicht berechtigt ist, Nutzungen zu ziehen, kann verlangen, dass ihm dies nach billigem Ermessen gegen angemessenen Ausgleich gestattet wird. 2 Für seine Beteiligung an den Nutzungen und Kosten gilt Absatz 3 entsprechend. (5) Die Wohnungseigentümer können eine abweichende Verteilung der Kosten und Nutzungen beschließen. Durch einen solchen Beschluss dürfen einem Wohnungseigentümer, der nach den vorstehenden Absätzen Kosten nicht zu tragen hat, keine Kosten auferlegt werden.