Ein Verwalterwechsel gehört zu den konfliktträchtigsten Situationen einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Häufig steht die Frage im Raum: Was muss der alte Verwalter eigentlich abgeben – und in welcher Form?
Während der BGH im Jahr 2025 eindeutig entscheiden musste, wer die Jahresabrechnung erstellt, ist die Rechnungslegung ein völlig anderes Thema – und wird in der Praxis oft falsch verstanden.
Dieser Artikel erklärt verständlich:
- was Rechnungslegung bedeutet,
- was der alte Verwalter immer schuldet,
- was er nicht schuldet,
- welche Unterlagen zwingend herauszugeben sind,
- wie Eigentümer ihre Rechte durchsetzen können,
- und wo die Grenze seiner Verantwortung liegt.
1. Rechnungslegung ist keine Jahresabrechnung — und entsteht sofort bei Amtsende
Viele Eigentümer glauben, der alte Verwalter müsse eine „Abrechnung bis zum Datum seines Ausscheidens“ erstellen.
Das ist falsch. Der BGH stellt klar:
Rechnungslegung und Jahresabrechnung sind zwei völlig verschiedene Pflichten.
- Jahresabrechnung → Organpflicht der GdWE, erstellt vom aktuellen Verwalter
- Rechnungslegung → Vertragspflicht des alten Verwalters gegenüber der GdWE
Die Pflicht zur Jahresabrechnung entsteht erst nach Ablauf des Jahres (BGH V ZR 206/24, Rn. 14).
Die Pflicht zur Rechnungslegung entsteht sofort mit Ende der Amtszeit.
Und sie ist zwingend – egal wie der Verwalter ausscheidet:
- ordentliche Abberufung
- Ablauf des Vertrags
- Kündigung der Gemeinschaft
- Eigenkündigung des Verwalters
- fristlose Abberufung wegen Pflichtverletzungen
Selbst ein Verwalter, der „die Brocken hinwirft“, bleibt rechenschaftspflichtig.
2. Rechtsgrundlage: Die starken BGB-Pflichten des Verwalters
Die Rechnungslegungspflicht ergibt sich aus dem allgemeinen Geschäftsbesorgungsrecht:
- § 666 BGB – Auskunft
- § 675 BGB – Geschäftsbesorgung
- § 259 BGB – Rechnungslegung
Der BGH bestätigt regelmäßig, zuletzt 2025, dass die Pflicht unabhängig von der Jahresabrechnung besteht und sehr weitreichend ist (BGH V ZR 206/24, Rn. 15) .
3. Was genau muss der alte Verwalter herausgeben? – Die vollständige Liste
Die Rechnungslegung umfasst alle Vorgänge während seiner Amtszeit. Dazu gehören insbesondere:
Kontounterlagen
- alle Rücklagenkonten (inkl. Unterkonten)
- alle Bewirtschaftungskonten
- sämtliche Kontoauszüge bis zum letzten Tag seiner Amtszeit
- Überweisungsbelege, Lastschriften, Daueraufträge
- Saldenbestätigungen der Bank
Belege
- Handwerkerrechnungen
- Wartungsverträge (Hausmeister, Aufzug, Heizung …)
- Versicherungsnachweise
- Energieversorgerunterlagen
- Belege für Rücklastschriften
- Mahnungen und Zahlungserinnerungen
Buchhaltungsunterlagen
- die komplette Buchführung (papier- oder elektronisch)
- Journalbuchungen
- Offene-Posten-Listen
- Rückstandslisten
- OP-Debitoren
Verwaltungsunterlagen
- Beschlusssammlung
- Verträge der Gemeinschaft
- Schriftverkehr mit Eigentümern und Dienstleistern
- Rechnungen laufender Projekte
- Mängelrügen, Gewährleistungsunterlagen
Einnahmen & Ausgaben
Eine nachprüfbare Gesamtübersicht aller Einnahmen und Ausgaben bis zum letzten Tag seiner Amtszeit.
Schlüssel- und Dokumentenbestand
- Schlüsselpläne
- Wartungsprotokolle
- Prüfberichte (TÜV, Brandschutz, Legionellen)
Digitales Material
- Zugangsdaten zu Verwaltungssoftware
- Exportdateien
- digitale Belegarchive
- Passwörter für Dienstleisterportale (z. B. Techem)
Kurz gesagt:
Alles, was er zur Verwaltung genutzt oder generiert hat, ist Eigentum der Gemeinschaft – nicht des Verwalters.
4. Was muss er NICHT tun?
Es gibt drei Dinge, die Eigentümer oft erwarten, die der Verwalter aber nicht schuldet:
1. Keine „Teiljahresabrechnung“
Er muss nicht „für Januar bis Mai“ eine Mini-Jahresabrechnung erstellen.
Das wäre eine Jahresabrechnung – und diese entsteht erst nach 31.12.
2. Keine buchhalterische Aufbereitung für den Nachfolger
Er muss Unterlagen sortiert übergeben, aber:
- nicht auf ein neues System übertragen
- keine neue Struktur anlegen
- nicht nachträglich nachbuchen, wenn die Buchhaltung bereits korrekt geführt war
3. Keine wirtschaftliche Bewertung oder Prognose
Er muss keine Aussagen machen wie:
- „Diese Rechnung gehört ins Vorjahr“
- „Diesen Vertrag würde ich kündigen“
- „Die Rücklage sollte erhöht werden“
Das ist Aufgabe des neuen Verwalters.
Merksatz: Rechnungslegung oder Jahresabrechnung? Der Verwalter legt „Rechnung“ gegenüber der Gemeinschaft ab – und aus dieser Rechnungslegung entsteht später die Jahresabrechnung, über die die Eigentümer beschließen.
5. Haftung: Der alte Verwalter bleibt verantwortlich – auch nach seinem Ausscheiden
Viele Eigentümer glauben, mit Ende des Vertrags endet auch die Haftung.
Das stimmt nicht.
Der alte Verwalter haftet für:
- fehlerhafte oder unvollständige Buchungen
- das Nicht-Erfassen von Einnahmen
- das Verschweigen von Ausgaben
- verschwundene Gelder
- falsch dokumentierte Rücklagenstände
- unvollständige Unterlagenübergabe
- nicht ausgekehrte Guthaben oder Überzahlungen
Der BGH betont, dass der Verwalter notfalls per eidesstattlicher Versicherung belegen muss, dass seine Angaben vollständig sind (BGH V ZR 206/24, Rn. 15) .
6. Was passiert, wenn der alte Verwalter sich weigert?
Das ist in der Praxis häufig. Verwalter reagieren oft mit:
- „Ich bekomme erst noch meine Schlussvergütung.“
- „Die Unterlagen sind noch beim Steuerberater.“
- „Das dauert noch.“
- „Ich darf nichts herausgeben, solange ich nicht entlastet bin.“
Alle vier Aussagen sind rechtlich falsch.
Die Gemeinschaft kann:
- Klage auf Rechnungslegung erheben
- Zwangsgeld (§ 888 ZPO) beantragen
- Herausgabe sämtlicher Unterlagen erzwingen
- Schadensersatz geltend machen
- ggf. Strafanzeige bei Verdacht auf Untreue stellen
Gerichte sind bei Verwaltern, die sich weigern, extrem ungeduldig.
7. Wie schnell muss der alte Verwalter liefern?
Es gibt keine gesetzliche Frist, aber die Rechtsprechung ist klar:
„Unverzüglich“ heißt binnen weniger Wochen.
In der Praxis: 2–4 Wochen, je nach Umfang der Unterlagen.
Länger darf es nur dauern, wenn der Verwalter plausibel und schriftlich begründet, warum er Zeit braucht (z. B. Krankheitsfall, sehr große Anlage).
8. Was ist bei fristloser Abberufung?
Fristlose Abberufung (z. B. wegen Fehlbuchungen oder Geldveruntreuung) führt zu:
- sofortigem Amtsende
- sofortiger Rechnungslegungspflicht
- erhöhter Haftung
- möglicher Beweislastverschiebung
Je gravierender der Anlass, desto strenger prüfen die Gerichte die Angaben des Verwalters.
9. Was darf der neue Verwalter vom alten verlangen?
Der neue Verwalter darf vom alten Verwalter:
- alle Unterlagen, Daten, Belege
- Zugang zu digitalen Systemen
- eine geordnete Zusammenstellung aller Einnahmen und Ausgaben
- Klärung von Buchungsfragen
- Saldenbestätigungen
- ggf. eine eidesstattliche Versicherung
Der neue Verwalter darf nicht:
- eine fertige Abrechnung verlangen
- eine Neuorganisation der Buchhaltung verlangen
Fazit: Die Rechnungslegung ist das wichtigste Instrument für einen sauberen Verwalterwechsel
Egal, ob der Verwalter im Streit geht oder weil die Gemeinschaft unzufrieden war:
- Der alte Verwalter muss die wirtschaftliche Tätigkeit komplett und nachvollziehbar offenlegen.
- Die Jahresabrechnung macht später der neue Verwalter.
- Die Rechnungslegung ist die „Grundlage“, die der alte liefern muss.
- Eigentümer haben starke Rechte, um diese Pflicht durchzusetzen.
- Die Haftung des alten Verwalters endet nicht mit dem Amtsende.
Für Gemeinschaften ist eine saubere Rechnungslegung der entscheidende Schutz gegen wirtschaftliche Schäden – und die Basis für jede seriöse Abrechnung.
FAQ: Rechnungslegung des alten Verwalters
Die Jahresabrechnung ist eine Organpflicht der Gemeinschaft und wird vom Verwalter erstellt, der am Jahresende im Amt ist. Die Rechnungslegung ist dagegen eine persönliche Vertragspflicht des alten Verwalters gegenüber der GdWE und entsteht sofort mit Ende seiner Amtszeit. Er muss alle Unterlagen vollständig und geordnet herausgeben.
Nein. Der alte Verwalter schuldet niemals eine Teil- oder Halbjahresabrechnung. Die Jahresabrechnung entsteht erst nach Ablauf des Kalenderjahres und ist Aufgabe des neuen Verwalters. Der alte Verwalter muss nur Rechnungslegung leisten, nicht abrechnen.
Er muss alle Unterlagen herausgeben, die er zur Verwaltung genutzt oder erzeugt hat: Kontoauszüge, Rücklagenkonten, Belege, Verträge, Buchführung, OP-Listen, Beschlusssammlung, Schriftverkehr, digitale Daten, Zugänge zu Portalen sowie eine nachvollziehbare Übersicht der Einnahmen und Ausgaben bis zu seinem letzten Arbeitstag.
Die Rechnungslegung muss „unverzüglich“ erfolgen. In der Praxis bedeutet das: innerhalb von 2 bis 4 Wochen. Nur bei besonderen Umständen darf es länger dauern. Eine Verzögerung ohne triftigen Grund ist pflichtwidrig und kann mit Zwangsgeld durchgesetzt werden.
Die Gemeinschaft kann den alten Verwalter verklagen, Zwangsgeld nach § 888 ZPO beantragen und Schadensersatz fordern. Fehlen Unterlagen oder bestehen Zweifel an Richtigkeit und Vollständigkeit, kann sogar eine eidesstattliche Versicherung verlangt werden.
Er haftet weiterhin für fehlerhafte Buchungen, unvollständige Unterlagen, verschwundene Gelder, falsche Rücklagenstände und unvollständige Rechnungslegung. Seine Haftung endet nicht mit Vertragsende – sie bleibt bestehen, bis alles vollständig und korrekt übergeben wurde.
Der neue Verwalter darf alle Unterlagen, Daten, Belege, digitalen Zugänge, Saldenbestätigungen und eine nachvollziehbare Einnahmen-Ausgaben-Übersicht verlangen. Er darf jedoch keine Abrechnung und keine nachträgliche Neuorganisation der Buchhaltung verlangen.




