Die Frage, wer nach einem Verwalterwechsel die Jahresabrechnung erstellen muss, sorgt seit Jahren für Streit in Wohnungseigentümergemeinschaften. Besonders dann, wenn der alte Verwalter zum 31. Dezember abberufen wird und ein neuer Verwalter ab dem 1. Januar übernimmt: Wer macht dann eigentlich die Abrechnung für das abgelaufene Jahr? Zum 26. September 2025 hat der Bundesgerichtshof (BGH) diese Frage endlich eindeutig geklärt und damit viel Unsicherheit beseitigt.
Das Urteil ist für Eigentümer, Beiräte und Verwalter gleichermaßen wichtig — und es wird zahlreiche Diskussionen und Fehlvorstellungen in Eigentümerversammlungen beenden.
Warum ist das so? – Die juristische Begründung einfach erklärt
Das Urteil lässt sich auf drei große rechtliche Eckpfeiler herunterbrechen:
1. Die Jahresabrechnung ist keine „Pflicht des Verwalters“ mehr, sondern eine Pflicht der Gemeinschaft
Seit der WEG-Reform 2020 ist klar:
Nicht der Verwalter, sondern die Gemeinschaft ist verpflichtet, die Jahresabrechnung zu erstellen.
Der Verwalter ist nur das Organ, das die Gemeinschaft dafür „ausführt“.
Das bedeutet: Es kommt entscheidend darauf an, wer am Tag der Entstehung dieser Pflicht Organ ist.
2. Die Abrechnungspflicht entsteht erst am 1. Januar des Folgejahres
Das ist der entscheidende Punkt des Urteils: Die Pflicht der Gemeinschaft entsteht nicht am 31.12., sondern erst am 01.01. des neuen Jahres (BGH, Rn. 14).
Damit ist die Sache einfach:
- endet die Amtszeit des alten Verwalters am 31.12.,
- und beginnt die Amtszeit des neuen Verwalters am 01.01.,
→ entsteht die Pflicht in der Amtszeit des neuen Verwalters.
Er ist also zuständig.
3. Der alte Verwalter ist nur dann noch verpflichtet, wenn eine vertragliche Sonderregelung existiert
Der BGH lässt eine Ausnahme zu:
Wenn im Verwaltervertrag ausdrücklich vereinbart wurde,
„Der Verwalter erstellt die Abrechnung auch dann, wenn sein Amt vorher endet“,
dann muss der alte Verwalter ran. (BGH, Rn. 16).
Aber:
- Solche Regelungen sind selten.
- Sie müssen klar und eindeutig formuliert sein.
- Ohne diese Regel: keine Pflicht für den alten Verwalter.
Der Kern des Urteils in einem Satz
Wenn der alte Verwalter zum 31.12. ausscheidet und der neue Verwalter ab 01.01. übernimmt, dann muss der neue Verwalter die Jahresabrechnung für das Vorjahr erstellen — nicht der alte (BGH, Urteil vom 26.09.2025 – V ZR 206/24).
Damit wird die bisher verbreitete Auffassung mancher Eigentümer („Der alte Verwalter hat doch das ganze Jahr verwaltet, also muss er auch die Abrechnung machen!“) ausdrücklich verneint.
Was muss der alte Verwalter denn überhaupt noch?
Auch wenn der alte Verwalter die Jahresabrechnung nicht mehr erstellen muss, bedeutet das nicht, dass er „einfach so aus der Tür spazieren“ darf.
Der BGH stellt klar: Der alte Verwalter schuldet Rechnungslegung nach §§ 666, 675, 259 BGB. Das heißt:
- vollständige Herausgabe aller Unterlagen,
- vollständige Mitteilung aller Einnahmen und Ausgaben,
- ggf. sogar eine eidesstattliche Versicherung (wenn Zweifel bestehen).
Diese Pflicht besteht immer – und unabhängig davon, wer die Jahresabrechnung erstellt.
Was bedeutet das Urteil für Eigentümer?
1. Schluss mit der Endlosdiskussion in der Versammlung
Der Satz „Der alte Verwalter muss das machen!“ ist ab sofort falsch, wenn der Wechsel zum Jahreswechsel erfolgt.
2. Der neue Verwalter kann sich nicht rausreden
Manche neuen Verwalter versuchen, monatelang auf die Unterlagen des alten zu verweisen. Nach dem Urteil gilt: Die Abrechnung ist Aufgabe des neuen Verwalters. Punkt. Er darf sich nicht einfach weigern.
3. Eigentümer können den neuen Verwalter in die Pflicht nehmen
Da die Pflicht die Gemeinschaft trifft, können Eigentümer gegen die GdWE auf Erstellung der Jahresabrechnung vorgehen. Und die GdWE wiederum setzt den neuen Verwalter ein.
Merksatz: Rechnungslegung oder Jahresabrechnung?
Der Verwalter legt „Rechnung“ gegenüber der Gemeinschaft ab – und aus dieser Rechnungslegung entsteht später die Jahresabrechnung, über die die Eigentümer beschließen.
Was bedeutet das Urteil für Verwalter?
Für neue Verwalter:
- Die Verantwortung beginnt sofort.
- Kein Verweis mehr: „Ich habe die Unterlagen noch nicht.“
- Fehlende Vorverwalterdaten müssen über die Rechnungslegung angefordert werden.
Für alte Verwalter:
- Keine Pflicht zur Erstellung der Abrechnung (bei Wechsel zum 1.1.).
- Aber: vollständige, korrekte Rechnungslegung zwingend.
- Haftungsrisiken bleiben, wenn Unterlagen fehlen oder falsch sind.
Interessant für beide Seiten: Der BGH sieht praktische Probleme als „irrelevant“
Der BGH sagt sinngemäß:
„Auch wenn es für den neuen Verwalter schwierig ist, die Abrechnung zu erstellen, ist das nach dem Gesetz nicht relevant.“ (Rn. 10)
Mit anderen Worten:
- Die praktische Zumutbarkeit spielt keine Rolle.
- Die gesetzliche Zuständigkeitslogik geht vor.
Das ist besonders bemerkenswert, weil die Vorjahresabrechnung häufig die komplexeste im gesamten Jahr ist.
Was im Urteil darüber hinaus wichtig ist
- Pflicht der Gemeinschaft
- Zuständigkeit des neuen Verwalters
- Ausnahme über Verwaltervertrag
Das Urteil enthält zusätzliche Feinheiten, die für Eigentümer spannend sind
1. Der BGH grenzt erstmals vollständig Organpflicht und Vertragspflicht ab.
Das war bisher in der Literatur umstritten.
2. Der BGH bestätigt erneut: Einzelne Eigentümer klagen gegen die GdWE, nicht gegen den Verwalter
Das bleibt ein Dauerbrenner in der Praxis.
3. Der BGH verweist erneut auf die Pflicht zur Rechnungslegung – ein häufig unterschätztes Instrument
Eigentümer können also:
- fehlende Unterlagen einklagen,
- eidesstattliche Versicherung verlangen, wenn Zweifel bestehen.
Fazit: Ein Urteil mit praktischer Wirkung für fast jede Gemeinschaft
Fazit: Der BGH hat die seit Jahren strittige Frage eindeutig beantwortet. Bei einem Verwalterwechsel zum Jahreswechsel erstellt der neue Verwalter die Jahresabrechnung für das Vorjahr. Eigentümer sollten das Urteil kennen, um sich in Versammlungen nicht mit Fehlinformationen abspeisen zu lassen. Verwalter wiederum müssen ihre Prozesse anpassen und die neue Verantwortlichkeit akzeptieren.
Für die Praxis bedeutet das: Mehr Klarheit, weniger Streit – und ein stärkerer Fokus auf die saubere Übergabe und Rechnungslegung.
Mehr Informationen zu WEG Verwaltung und Abrechnung
👉 Die Bestellung und Abberufung der Hausverwaltung nach der WEG-Reform
👉 WEG-Verwalter - Wechsel der Unternehmensform
FAQ: Verwalterwechsel und Jahresabrechnung
Nach dem BGH-Urteil vom 26.09.2025 ist eindeutig: Der neue Verwalter muss die Jahresabrechnung des abgelaufenen Jahres erstellen, wenn seine Amtszeit am 01.01. beginnt. Die Pflicht entsteht erst am 01.01., also in seiner Amtszeit.
Ja. Der alte Verwalter schuldet Rechnungslegung nach §§ 666, 675, 259 BGB. Das bedeutet: vollständige, geordnete Unterlagen, Kontoauszüge, Belege und Zahlungsübersichten, im Zweifel sogar eine eidesstattliche Versicherung. Er hat also weiterhin Pflichten, nur eben nicht die Abrechnungserstellung.
Ja. Der BGH lässt ausdrücklich eine Ausnahme zu: Wenn im Verwaltervertrag klar und eindeutig vereinbart wurde, dass der Verwalter die Abrechnung auch dann erstellt, wenn sein Amt vorher endet. Solche Vereinbarungen sind selten, aber möglich.
Die Eigentümer können die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) auf Erstellung der Jahresabrechnung in Anspruch nehmen. Die GdWE muss dann den neuen Verwalter zur Erfüllung seiner Pflichten anhalten. Ein Hinhalten mit Verweis auf fehlende Unterlagen ist nach dem BGH-Urteil nicht mehr zulässig.
Dann verletzt er seine Rechnungslegungspflichten. Die Gemeinschaft kann ihn zur Herausgabe zwingen, notfalls gerichtlich. Fehlen Unterlagen oder bestehen Zweifel an Angaben, kann sogar eine eidesstattliche Versicherung verlangt werden.
Der BGH sagt klar: Die gesetzliche Zuständigkeitslogik geht vor. Auch wenn es praktisch schwierig ist, die Vorjahresabrechnung zu erstellen, bleibt der neue Verwalter zuständig. Praktische Erschwernisse ändern an der Rechtslage nichts.
Eigentümer können Missverständnisse in Versammlungen beenden, den neuen Verwalter zügig zur Abrechnung anhalten, bei verweigerten Unterlagen vom alten Verwalter Rechnungslegung einfordern und in künftigen Verwalterverträgen klar regeln, ob Abrechnungspflichten trotz Amtsende fortbestehen sollen.




