Fenster - Gemeinschaftseigentum, Sondereigentum oder beides ein bisschen?

grosse fensterflaeche

Kurz gesagt: Fenster sind (fast immer) Gemeinschaftseigentum – aber die Kosten für Instandhaltung und Instandsetzung können durch Gemeinschaftsordnung oder Beschluss abweichen. Dieser Artikel fasst die Rechtslage nach der WEG-Reform und den aktuellen BGH-Urteilen praxisnah zusammen – inklusive typischer Stolperfallen rund um TeilungserklärungSonderumlage und den richtigen Verteilungsschlüssel.

Schnellüberblick

  • Eigentum: Fenster (Rahmen & Scheiben) sind zwingend Gemeinschaftseigentum (GE).

  • Kosten: Gesetzlich nach MEA – außer es gibt eine klare Regel in Gemeinschaftsordnung/Teilungserklärung (GO/TE) oder einen zulässigen Beschluss nach § 16 Abs. 2 S. 2 WEG.

  • Organisatorisch: Beschluss & Beauftragung liegen bei der Gemeinschaft – auch wenn die Kosten beim Sondereigentümer landen.

  • Neu 2025: Gemeinschaftsordnung-Kostenregel zu Fenstern umfasst auch anfängliche Mängel; eine pauschale Sonderumlage nach MEA ist dann fehlerhaft.

1. Was gehört beim Fenster wozu?

Für die Praxis hilft eine einfache Faustregel: Alles, was die Gebäudehülle betrifft (Außenfenster mit Rahmen, Falz, Dichtung, Verglasung, äußere Ansicht), ist Gemeinschaftseigentum. Dinge, die innen liegen und die Funktion nach außen nicht berühren (z. B. Innengriffe, innere Fensterbänke, Vorhänge), können zum Sondereigentum gehören.

Bauteil/AspektTypischHinweis
Fensterrahmen, -flügel, -scheiben Gemeinschaftseigentum Teil der Gebäudehülle; Außenansicht und Dichtigkeit betreffen alle.
Außenfensterbank / Außensims Gemeinschaftseigentum Wetterschutz & Fassadenbild.
Beschläge, Griffe innen, innere Fensterbank Sondereigentum (typisch) Nur innenliegende Nutzung; Ausnahmen je nach Ausführung möglich.
Rollläden, Außenjalousien, Fensterläden überwiegend Gemeinschaftseigentum Gestaltung der Außenansicht und Standsicherheit; GO/TE prüfen.
Terrassentür/Fenstertür, Dachflächenfenster Gemeinschaftseigentum Wie Fenster zu behandeln; besondere Praxisfälle bei der Kostenverteilung.

 2. Gemeinschaftsordnung & Teilungserklärung: Was darf geregelt werden?

  • Unverrückbar: Fenster bleiben Gemeinschaftseigentum – das kann die Gemeinschaftsordnung/Teilungserklärung nicht ändern.
  • Zulässig: Gemeinschaftsordnung/Teilungserklärung darf die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung bestimmter Gemeinschafts-Teile (z. B. „Fensterstöcke, Fensterrahmen, Fensterscheiben“) dem jeweiligen Sondereigentümer zuweisen. Diese abweichende Kostenregel bindet auch Käufer.
  • Organisation bleibt Gemeinschaftsordnung-Aufgabe: Beschluss und Beauftragung liegen weiterhin bei der Gemeinschaft. Unklare Gemeinschaftsordnungs-Formulierungen reichen nicht, um die Gemeinschaft „außen vor“ zu lassen.

Praxis-Tipp (Gemeinschaftsordnung richtig lesen):

  • Suchen Sie nach klaren Aufzählungen (z. B. „Fensterstöcke, Fensterrahmen, Fensterscheiben“).
  • Je präziser der Wortlaut, desto belastbarer die Kostenverlagerung.
  • Fehlt eine klare Regel, gilt regelmäßig der gesetzliche Schlüssel: MEA.

3. WEG-Reform: Abweichende Kostenverteilung per Beschluss (§ 16 Abs. 2 Satz 2 WEG)

Seit dem 01.12.2020 darf die Gemeinschaft für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten einen abweichenden Verteilungsschlüssel per Mehrheitsbeschluss festlegen – auch abweichend von einer Vereinbarung (Gemeinschaftsordnung /Teilungserklärung).

Wichtig dabei:

  • Es geht um Einzelfälle bzw. bestimmte Kostenarten, nicht um eine dauerhafte Umschreibung der Gemeinschaftsordnung.
  • Erforderlich sind ein sachlicher Grund (z. B. Nutzen-/Gebrauchsbezug oder Verursachung) und die Wahrung ordnungsmäßiger Verwaltung.
  • Beispiele:
    • Dachflächenfenster: Die Kosten eines konkreten Austauschs können per Beschluss dem Dachgeschoss-Eigentümer zugewiesen werden, wenn dies sachlich begründet ist.
    • Erhaltungsrücklage: Auch die Zuführung zur Rücklage kann unter § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG fallen (Einzelfallbezug beachten).
  • Kein Freifahrtschein: „Generalklauseln“ sind unzulässig; immer maßnahme- bzw. kostenbezogen entscheiden.

4. Neues vom BGH (2025): Anfängliche Mängel sind mit umfasst

Weist die Gemeinschaftsordnung die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung bestimmter, zu einer Einheit gehörender Teile des Gemeinschaftseigentums dem jeweiligen Eigentümer zu (z. B. Fenster), umfasst diese Regelung auch die Beseitigung anfänglicher Mängel (Baumängel seit Errichtung). In solchen Konstellationen ist eine pauschale Sonderumlage nach MEA fehlerhaft, weil sie den falschen Schlüssel benutzt. Maßgeblich bleibt die Gemeinschaftsordnungs-Kostenregel.

Konsequenz für die Versammlung:

  • Beschlüsse über Sonderumlagen und Abrechnungen müssen den richtigen Schlüssel abbilden: Gesetz (MEA), Gemeinschaftsordnung/Teilungserklärung oder zulässiger Beschluss nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG.
  • Falsche Schlüssel sind anfechtbar und verstoßen gegen ordnungsmäßige Verwaltung.

5. Wer beschließt & beauftragt – und wer zahlt?

  • Beschluss & Beauftragung: Immer Aufgabe der Gemeinschaft (Fenster  = Gemeinschaftseigentum).
  • Duldungspflicht: Eigentümer müssen notwendige Instandhaltungs-/Instandsetzungsmaßnahmen dulden; der subjektive Eindruck „mich stört’s nicht“ ist rechtlich unerheblich.
  • Zahlung: Je nach Lage
    • gesetzlich nach MEA
    • abweichend per Gemeinschaftsordnung oder
    • abweichend per Beschluss nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG.

6. Praxisbeispiele zur Kostenverteilung

Fall A: Keine Sonderregel in Gemeinschaftsordnung/Teilungserklärung. Austausch und Reparaturen an Fenstern werden über die Gemeinschaft beschlossen und nach MEA verteilt (inkl. Sonderumlage, falls nötig).

  • Fall B: Klare Gemeinschaftsordnung-Regel („Fensterstöcke, -rahmen, -scheiben“). Die Gemeinschaft beschließt und beauftragt; die Kosten trägt der jeweilige Sondereigentümer – auch bei anfänglichen Mängeln. Eine pauschale MEA-Sonderumlage wäre falsch.
  • Fall C: Einzelmaßnahme-Beschluss nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG. Trotz fehlender oder abweichender Gemeinschaftsordnung kann die Gemeinschaft für die konkrete Maßnahme (z. B. Dachflächenfenster) einen anderen Schlüssel beschließen, wenn das sachlich begründet ist.

7. Checkliste: So gehen Sie systematisch vor

  1. Dokumente sichten: Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung lesen (Fenster ausdrücklich genannt?).
  2. Maßnahme definieren: Instandhaltung, Instandsetzung oder Modernisierung (bauliche Veränderung nach § 20 WEG)?
  3. Schlüssel wählen: Gesetz (MEA) / Gemeinschaftsordnung-Regel / Einzelmaßnahme nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG.
  4. Beschlusstext sauber formulieren: Maßnahme, Bauteile (Fensterrahmen/-scheiben), Verteilungsschlüssel, Abrechnung/Einzug – alles klar benennen.
  5. Abrechnung & Sonderumlage korrekt abbilden: Den gewählten Schlüssel konsistent in Wirtschaftsplan, Rücklage, Einzelabrechnung umsetzen.

8. Typische Fehler – und wie sie vermieden werden

  • Falscher Schlüssel in Sonderumlagen/Beschlüssen, obwohl Gemeinschaftsordnung eine andere Kostenregel vorsieht.
  • Unklare Gemeinschaftsordnung-Formulierungen als „Vollverlagerung“ missverstanden: Organisation bleibt bei der Gemeinschaft.
  • Eigenmächtiger Fenstertausch in der Hoffnung auf Erstattung – gibt es regelmäßig nicht.
  • „Generalklausel“-Beschlüsse statt maßnahmebezogener Einzelfallentscheidung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG.
  • Fehlende Dokumentation im Beschlusstext (Bauteile, Kostenart, Zahlungsweg); Folge: Angriffsfläche bei Anfechtung.

Achtung: Keine Alleingänge am Gemeinschaftseigentum

Auch wenn die Gemeinschaftsordnung fensterbezogene Kosten dem Sondereigentum zuweist: Der Austausch von Fenstern ist eine Sache der Gemeinschaft. Ohne Beschluss eigenmächtig handeln führt regelmäßig nicht zu Kostenerstattung und kann zusätzlichen Ärger auslösen.

 

9. Beschlussvorschlag (Beispiel)

 

„Die Eigentümergemeinschaft beschließt den Austausch der Dachflächenfenster in Einheit Nr. 12 (Fensterrahmen und Fensterscheiben). Die Kosten dieser Maßnahme werden abweichend von § 16 Abs. 2 WEG der Vereinbarung der Einheit Nr. 12 zugewiesen (sachlicher Grund: ausschließlicher Nutzen/Gebrauch; keine Benachteiligung anderer Einheiten). Die Abrechnung erfolgt außerhalb der Instandhaltungsrücklage durch Direktverrechnung mit dem Sondereigentümer.“

Tipp

Daher sollten sich angehende Wohnungseigentümer auch ausreichend informieren, welche Regelungen für das jeweilige Gebäude gelten. Sind die Kosten für die Instandsetzung selbst zu tragen, empfiehlt es sich, bereits bei der Besichtigung den Zustand der Velux Dachfenster zu prüfen und im Falle von Mängeln mit dem derzeitigen Besitzer über einen Austausch der alten Fenster zu verhandeln, da die Kosten dafür ansonsten selbst zu tragen sind. Gelten hingegen keine gesonderten Vereinbarungen, gehören die Fenster zum Gemeinschaftseigentum, sodass die Installations- oder Reparaturkosten von der Eigentümergemeinschaft zu tragen sind.

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