Im Fall V ZR 139/23 ging es um die Frage, ob Prozesskosten, die einer Eigentümergemeinschaft nach einem verlorenen Beschlussanfechtungsverfahren auferlegt wurden, auch auf die obsiegenden Wohnungseigentümer umgelegt werden dürfen.
Urteil des BGH:
Der BGH entschied am 19. Juli 2024, dass Prozesskosten im Rahmen einer Beschlussanfechtungsklage als Verwaltungskosten anzusehen sind und daher gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG auf alle Wohnungseigentümer umgelegt werden müssen, unabhängig davon, ob sie die Klage gewonnen oder verloren haben. Das Gericht stellte klar, dass diese Kosten als allgemeine Verwaltungskosten gelten, und daher der normale Umlageschlüssel angewendet werden muss, sofern kein abweichender Beschluss gefasst wurde.
Begründung:
Der BGH betonte, dass die Verteilung der Kosten auf alle Eigentümer ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, weil die Prozesskosten die Gemeinschaft betreffen, auch wenn sie nur von einigen Eigentümern initiiert wurden. Zwar eröffnet § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG die Möglichkeit, die Kostenverteilung abweichend zu regeln, aber das hätte einer gesonderten Beschlussfassung bedurft, die in diesem Fall nicht erfolgt war.
Fazit:
Selbst obsiegende Eigentümer müssen sich an den Prozesskosten beteiligen, es sei denn, es wird ein spezieller Beschluss über eine abweichende Kostenverteilung gefasst.
Was für ein Fehler bei der Beschlussfassung ist der Eigentümergemeinschaft unterlaufen?
Der Fehler der Eigentümergemeinschaft bei der Beschlussfassung war, dass sie keinen gesonderten Beschluss über eine abweichende Kostenverteilung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG gefasst hat. Dieser Paragraph hätte es der Gemeinschaft ermöglicht, die Prozesskosten nur denjenigen Eigentümern aufzuerlegen, die von dem Verfahren profitiert haben. Stattdessen wurde der reguläre Umlageschlüssel angewandt, der vorsieht, dass alle Eigentümer (auch die obsiegenden Kläger) die Kosten tragen müssen.
Um dies zu vermeiden, hätte die Gemeinschaft einen Beschluss fassen müssen, der eine abweichende Verteilung der Prozesskosten vorsieht, sodass nur die unterliegenden Eigentümer oder diejenigen, die den Nutzen daraus ziehen, die Kosten tragen.
Ein Beispiel für einen Beschluss zur abweichenden Kostenverteilung der Prozesskosten gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG
Beschlussvorlage zur abweichenden Kostenverteilung der Prozesskosten
Beschluss Nr. [Nummer einfügen]:
Die Eigentümergemeinschaft beschließt, dass die Kosten des Beschlussanfechtungsverfahrens [Aktenzeichen und Gericht] abweichend von der allgemeinen Kostenverteilung gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG verteilt werden. Die Prozesskosten werden ausschließlich den Eigentümern auferlegt, die im Verfahren unterlegen sind, oder denjenigen, die unmittelbar von der Maßnahme betroffen und/oder daran interessiert sind.
Der reguläre Umlageschlüssel gemäß der Teilungserklärung wird in diesem Fall nicht angewendet. Diese Regelung dient der ordnungsgemäßen Verwaltung im Sinne des § 19 WEG und tritt sofort in Kraft.
Abstimmungsergebnis:
Ja-Stimmen: [Anzahl]
Nein-Stimmen: [Anzahl]
Enthaltungen: [Anzahl]
Der Beschluss wurde mit [Mehrheit] angenommen.
Dieser Beschluss sorgt dafür, dass nur diejenigen Eigentümer, die direkt von dem Beschluss betroffen oder unterlegen sind, die Kosten tragen. Er entspricht den Regelungen nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG und vermeidet eine pauschale Umlage auf alle Eigentümer.
Die Gemeinschaft kann also eine geänderte Kostenumlage beschließen, mit welchen Mehrheitsverhältnissen?
Für einen Beschluss zur abweichenden Kostenverteilung gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG ist eine einfache Mehrheit der in der Eigentümerversammlung anwesenden Stimmen erforderlich, also mehr Ja-Stimmen als Nein-Stimmen. Dies bedeutet, dass keine qualifizierte Mehrheit notwendig ist, sondern ein solcher Beschluss mit einer Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden kann.
Voraussetzungen:
- Die Eigentümergemeinschaft muss den Beschluss ordnungsgemäß auf die Tagesordnung setzen und darüber abstimmen.
- Es reicht eine einfache Mehrheit der anwesenden oder vertretenen Eigentümer in der Versammlung, da der § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG keinen besonderen Mehrheitserfordernis vorsieht.
Hinweis:
Die Regelung zur abweichenden Kostenverteilung kann dennoch angefochten werden, wenn der Beschluss unbillig ist oder gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung verstößt.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Fall V ZR 139/23 bietet einige interessante Aspekte, die über den eigentlichen Fall der Kostenverteilung hinausgehen
1. Verwaltungskostenbegriff erweitert
Der BGH stellt klar, dass Prozesskosten, die der Gemeinschaft in einem Beschlussanfechtungsverfahren auferlegt werden, zu den Verwaltungskosten gehören. Dies bedeutet, dass sie nach den üblichen Regeln auf alle Eigentümer umgelegt werden müssen, auch auf die obsiegenden Eigentümer. Dies verdeutlicht den erweiterten Begriff der Verwaltungskosten, der auch Prozesskosten einschließt.
2. Wirkung der WEG-Reform 2020
Mit der Reform wurde klargestellt, dass Beschlussklagen nicht mehr gegen einzelne Eigentümer, sondern gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) erhoben werden müssen. Diese Änderung hat erhebliche Auswirkungen auf die Kostenverteilung. Da die Gemeinschaft als Ganzes als Beklagte auftritt, müssen auch die Kosten für das Verfahren auf alle Eigentümer umgelegt werden, unabhängig von deren Beteiligung am Streit.
3. Keine „Bestrafung“ obsiegender Eigentümer
Auch wenn es für obsiegende Eigentümer ungerecht erscheinen mag, die Prozesskosten mittragen zu müssen, betont der BGH, dass es keine planwidrige Lücke im Gesetz gibt. Die obsiegenden Eigentümer hätten die Möglichkeit gehabt, einen gesonderten Beschluss über die abweichende Kostenverteilung zu fassen, bevor die Sonderumlagedie Sonderumlage beschlossen wurde. Solange dies nicht geschieht, bleibt der allgemeine Verteilungsschlüssel gültig.
4. Einfluss auf kleine Eigentümergemeinschaften:
Der BGH erkennt an, dass diese Regelung besonders in kleinen Eigentümergemeinschaften zu einem „unguten Gefühl“ bei obsiegenden Klägern führen kann. Die Entscheidung macht jedoch klar, dass es im Ermessen der Eigentümer liegt, abweichende Beschlüsse zu fassen, um eine ungerechte Verteilung zu vermeiden.
Hinweis: Diese Aspekte verdeutlichen, dass die Eigentümergemeinschaft einen breiten Gestaltungsspielraum in der Kostenverteilung hat, solange die Grundsätze der ordnungsmäßigen Verwaltung beachtet werden.
Und was ist mit der Hausverwaltung? Hätte die nicht auf eine mögliche Änderung der Kostenverteilung nach § 16 Abs. 2 Satz WEG hinweisen müssen?
Seit dem 1. Dezember 2020 gehören die Prozesskosten, die der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (Gesellschaft der Wohnungseigentümer GdWE) in einem Beschlussanfechtungsverfahren auferlegt werden, zu den Verwaltungskosten gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG. Diese Kosten sind nach dem allgemeinen Verteilungsschlüssel zu verteilen, es sei denn, es gibt eine abweichende Regelung.
Im Zusammenhang mit möglichen Versäumnissen der Verwaltung wird darauf hingewiesen, dass es der Verwaltung obliegt, die Eigentümer korrekt über die Möglichkeit zu informieren, vor einer Beschlussfassung einen abweichenden Kostenverteilungsschlüssel zu beschließen. In diesem Fall wurde jedoch festgestellt, dass die Eigentümer nicht darüber informiert waren, dass sie einen solchen Antrag hätten stellen können, was jedoch keine Rechtswidrigkeit des Beschlusses zur Folge hatte.
Wenn die Eigentümergemeinschaft also klagen möchte, um sich das bereits gezahlte Geld zurückzuholen, müsste sie nachweisen, dass ein grobes Versäumnis oder eine Pflichtverletzung der Verwaltung vorliegt, die über den bloßen Informationsmangel hinausgeht. Das Urteil legt jedoch nahe, dass die Verwaltungspflicht hier nicht verletzt wurde, weil der allgemeine Verteilungsschlüssel zur Anwendung kam, und dieser den rechtlichen Vorgaben entsprach.