Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums steht den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu (§ 18 Abs. 1 WEG). Die Eigentümergemeinschaft kann in großen Teilen deshalb selbst bestimmen, über welche Angelegenheiten ein Beschluss gefasst werden muss. Im Wohnungseigentumsgesetz sind für verschiedene Materien der gemeinschaftlichen Verwaltung jedoch teilweise unterschiedliche Mehrheiten für Beschlüsse erforderlich.
Im Allgemeinen unterscheidet man zwischen:
- Beschlüssen mit einfacher Mehrheit,
- Beschlüssen mit qualifizierter Mehrheit,
- einstimmigen und
- allstimmigen Beschlüssen sowie
- dem Umlaufbeschluss.
Beschlüsse mit einfacher Mehrheit (Mehrheitsbeschluss)
Beschlüsse, für die eine einfache Mehrheit ausreicht, kommen dann zustande, wenn es mehr Ja- als Nein-Stimmen gibt. Da Enthaltungen nicht mitgezählt werden (es sei denn, die Gemeinschaftsordnung regelt dies anders), kann eine einfache Mehrheit auch dann zustandekommen, wenn weniger als die Hälfte der anwesenden Mitglieder einem Antrag zustimmt.
Beispiel: Eine Eigentümergemeinschaft bestehend aus 8 Parteien beschliesst die Instandhaltung der Hauseingangstür. Auf der Eigentümerversammlung sind sieben Wohnungseigentümer anwesend: Mit Ja stimmen 3 Eigentümer, mit Nein stimmen 2 Eigentümer und 2 Eigentümer enthalten sich. Der Beschlussantrag ist zustandegekommen, da die Ja-Stimmen die Nein-Stimmen überwiegen und die Enthaltungen nicht mitgezählt werden. Eigentümer sollten deshalb immer überlegen, ob die Stimmenthaltung in der Eigentümerversammlung die richtige Wahl ist.
Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit - NEU
Die bisherigen Quoren wurden über Bord geworfen. Die einzige Ausnahme vom einfachen Mehrheitsprinzip bildet der neue § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG. Hiernach sind die Kosten für eine Maßnahme der baulichen Veränderung von allen Eigentümern zu tragen, wenn die Maßnahme mit einer Mehrheit von mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, die die Hälfte aller Miteigentumsanteile repräsentieren müssen, beschlossen wurde und deren Kosten nicht unverhältnismäßig sind.
Zu beachten ist hier, dass sich die erforderliche Mehrheit von mehr als zwei Drittel der abgegebenen Stimmen nicht auf Basis sämtlicher Wohnungseigentümer errechnet, sondern auf Basis der in der Eigentümerversammlung abgegebenen Stimmen, diese Stimmen müssen jedoch mindestens die Hälfte aller Miteigentumsanteile repräsentieren.
Vereinbarte Quoren gelten weiterhin
Über diese gesetzliche Ausnahme hinaus bleiben die Mehrheits-Quoren vereinbarter Öffnungsklauseln maßgeblich. Soweit Gemeinschaftsordnungen hierzu bestimmte Mehrheiten vorsehen, sind diese weiter zu beachten.
Der einstimmige Beschluss
Auch der einstimmige Beschluss ist eine besondere Form der qualifizierten Mehrheit: Ein einstimmiger Beschluss ist immer dann gegeben, wenn alle auf der Eigentümerversammlung anwesenden und vertretenen Mitglieder einem Antrag zustimmen. Wenn auch nur einer der anwesenden Mitglieder sich der Stimme enthält, ist keine Einstimmigkeit gegeben.
Beispiel 1: Die WEG Sonnenschein besteht aus 10 Miteigentümern, acht Parteien sind auf der Eigentümerversammlung anwesend und alle anwesenden Parteien stimmen dem Beschlussantrag zu.
Beispiel 2: Alternativ sind fünf Parteien anwesend, zwei Parteien lassen sich durch die Hausverwaltung und drei Parteien lassen sich durch einen Miteigentümer vertreten. Auch hier stimmen alle anwesenden Parteien, der vertretende Hausverwalter sowie der vertretende Wohnungseigentümer dem Beschlussantrag zu.
In beiden Fällen ist ein einstimmiger Beschluss zustande gekommen.
Der allstimmige Beschluss
Ein allstimmiger Beschluss ist gegeben, wenn alle grundbuchlich eingetragenen Eigentümer einem Antrag zustimmen. Für einen allstimmigen Beschluss ist es auf einer Eigentümerversammlung daher erforderlich, dass auch wirklich alle Eigentümer anwesend sind, bzw. wirksam vertreten werden und dem Antrag zustimmen.
Beispiel:
- Auf der Eigentümerversammlung der WEG Sonnenschein sind alle 10 Eigentümer auf der Eigentümerversammlung anwesend und alle Wohnungseigentümer stimmen dem Beschlussantrag zu.
- Alternativ sind 4 Miteigentümer anwesend, 6 Miteigentümer haben der Hausverwaltung oder einigen Miteigentümern Vollmacht erteilt. Miteigentümer und Hausverwaltung stimmen mit den Vollmachten der abwesenden Eigentümer dem Beschlussantrag zu. Auch hier ist Allstimmigkeit gegeben, auch wenn nicht alle Eigentümer der WEG in der Versammlung anwesend sind. Die "fehlenden" Eigentümer werden durch die Hausverwaltung und die sie vertretenden Miteigentümer wirksam vertreten.
Vereinbarungen
Prinzipiell ist eine Vereinbarung erst einmal nichts anderes als ein allstimmiger Beschluss. Alle grundbuchlich eingetragenen Eigentümer stimmen dem Beschlussantrag zu. Daneben ist eine Vereinbarung aber auch ein schuldrechtlicher Vertrag zwischen den Eigentümern. Dieser bindet nur die aktuellen Eigentümer, nicht die Rechtsnachfolger, also Neuerwerber von Wohneigentum. Eine Bindungswirkung für Rechtsnachfolger entsteht nur dann, wenn die Vereinbarung in das Grundbuch eingetragen wird.
Abgrenzung allstimmiger Beschluss und Vereinbarung
Nun kann es passieren, dass auf der Eigentümerversammlung alle Eigentümer anwesend sind oder durch eine Vollmachterteilung wirksam vertreten werden und einem Beschlussantrag mit Allstimmigkeit zugestimmt wird. Wurde nun ein Beschluss oder eine Vereinbarung getroffen?
Die Abgrenzung ist deshalb von Bedeutung, weil der Beschluß auch ohne Eintragung in das Grundbuch für den Sondernachfolger wirksam ist, während eine nicht in das Grundbuch eingetragene Vereinbarung lediglich Gültigkeit zwischen den Personen hat, die die Vereinbarung getroffen haben.
Hierzu ein Beispiel: Auf der Eigentümerversammlung der WEG Sonnenschein wird unter Mitwirkung aller Wohnungseigentümer beschlossen, dass die Anschaffung und Haltung von Hunden nach Beschlussfassung verboten ist. Nach einem Eigentümerwechsel ist Frau Meier, die neue Wohnungseigentümerin, der Meinung, sie sei daran nicht gebunden.
Was haben wir nun vorliegen?
- Ein Beschluss, bei dem zusätzlich zu klären wäre, ob das generelle Verbot der Hundehaltung ab Datum der Beschlussfassung überhaupt einer Beschlussfassung zugänglich ist oder ob die Gemeinschaft ihre Beschlusskompetenz überschritten hat und der Beschluss somit nichtig ist?
- Eine Vereinbarung, die aus welchen Gründen auch immer nicht von den Parteien "vertragsfest" gemacht wurde?
Geht man von einem ordnungsmäßigen Beschluß aus, wäre Frau Meier an diesen Beschluß gebunden. Dagegen wäre eine Vereinbarung mangels Eintragung in das Grundbuch für Frau Meier unbeachtlich, da die Vereinbarung nur für jene Personen von Bedeutung ist, die die Vereinbarung getroffen haben. Frau Meier müßte die Vereinbarung nicht akzeptieren. Noch einmal, der entscheidende Unterschied liegt darin, daß der Beschluss seine Wirkung auch gegenüber Rechtsnachfolgern entfaltet, während eine nicht eingetragene Vereinbarung nur zwischen jenen Personen ihre Gültigkeit entfaltet, die die Vereinbarung getroffen haben.
Leider hätte Frau Meier vor Gericht verloren. In einem ähnlich gelagerten Fall hatte eine Eigentümergemeinschaft auf der jährlichen Eigentümerversammlung die Hundehaltung in der Hausordnung verboten und diese Hausordnung per Beschluss verabschiedet. Das OLG Frankfurt urteilte, dass ein Beschluss, nach dem die Haltung von nach dem Beschluss angeschafften Hunden und Katzen untersagt ist, nicht nichtig ist. Die Eigentümer haben insoweit Beschlusskompetenz.
Die Abgrenzung ist oft problematisch und muss vielfach von Gerichten geklärt werden. Generell ist für die Abgrenzung auf den Inhalt der Regelung abzustellen.
- Ist der Regelungsgegenstand einer Beschlussfassung zugänglich, handelt es sich im Zweifel um eine Beschluss.
- Ist der Regelungsgegenstand die Änderung der Grundordnung der Gemeinschaft mit rechtsgestaltender Wirkung für die Zukunft, handelt es sich im Zweifel um eine Vereinbarung. Denn es kann vermutet werden, dass die Wohnungseigentümer das richtige Regelungsinstrument für ihre Willensentschließung gewählt haben. Soll die Vereinbarung Bestand haben, sollte eine Einragung in das Grundbuch erfolgen. Das bedingt die (notariell beglaubigte) Zustimmung aller Wohnungseigentümer.
Ist trotz Erforderlichkeit einer Vereinbarung klar erkennbar, dass ein Beschluss mit seinen Rechtswirkungen gewollt ist, ist dieser mangels Beschlusskompetenz nichtig (Köhler, Bassenge Wohnungseigentumsrecht, 2. Auflage, Dr. Otto Schmidt Verlag, Seite 227).
Öffnungsklauseln in der Gemeinschaftsordnung NEU
Öffnungsklauseln ermöglichen es den Wohnungseigentümern, die Regelungen der Gemeinschaftsordnung durch Beschlussfassung zu ändern. Meistens ist hierfür eine bestimmte Stimmenmehrheit - z.B. alle Wohnungseigentümer, zwei Drittel der Wohnungseigentümer - notwendig. Bisher musste ein solcher Beschluss nicht in das Grundbuch eingetragen werden, verpflichtete die Rechtsnachfolger jedoch trotzdem.
Beschlüsse, die auf Grundlage einer vereinbarten Öffnungsklausel gefasst werden, bedürfen künftig der Eintragung in das Grundbuch, um Wirkung auch gegen Sondernachfolger von Wohnungseigentümern zu entfalten.
Beschlüsse auf Grundlage einer gesetzlichen Öffnungsklausel, also insbesondere solche zur Kostenverteilungsänderung auf Grundlage von § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG, bedürfen hingegen nicht der Eintragung ins Grundbuch.
Übergangsfrist für Altbeschlüsse NEU
Aufgrund einer vereinbarten Öffnungsklausel gefasste Beschlüsse, die vor Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) am 1.12.2020 gefasst wurden, benötigen ebenfalls der Eintragung ins Grundbuch, um Wirkung gegen Sondernachfolger von Wohnungseigentümern zu entfalten. Der Gesetzgeber räumt hier allerdings eine Frist bis zum 31.12.2025 ein.
§ 10 Allgemeine Grundsätze NEU
(3) 1 Vereinbarungen, durch die die Wohnungseigentümer ihr Verhältnis untereinander in Ergänzung oder Abweichung von Vorschriften dieses Gesetzes regeln, die Abänderung oder Aufhebung solcher Vereinbarungen sowie Beschlüsse, die aufgrund einer Vereinbarung gefasst werden, wirken gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers nur, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen sind. 2 Im Übrigen bedürfen Beschlüsse zu ihrer Wirksamkeit gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers nicht der Eintragung in das Grundbuch.
Der Umlaufbeschluss - NEU
Umlaufbeschlüsse werden einfacher. Zum einen genügt die Textform - damit wäre eine Abstimmung über Doodle möglich - und zum anderen kann die Gemeinschaft beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt.
Sollte beispielsweise grundsätzlich der Beschluss zur Beauftragung der Hausmeisterfirma XY auf der Versammlung beschlossen werden, es fehlten jedoch noch einige Informationen, können die Wohnungseigentümer nun beschließen, dass die Beschlussfassung im Umlaufverfahren erfolgen kann wenn die fehlenden Informationen vorliegen und hierzu dann die Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreicht.
§ 23 Wohnungseigentümerversammlung NEU
(3) 1 Auch ohne Versammlung ist ein Beschluß gültig, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu diesem Beschluß in Textform erklären. 2 Die Wohnungseigentümer können beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt.
Darf über einen Beschluss erneut abgestimmt werden?
Die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer umfasst auch die Befugnis, über eine Angelegenheit, über die bereits per Beschluss entschieden wurde, erneut eine Entscheidung herbeizuführen. Mit einem solchen Zweitbeschluss kann der Erstbeschluss daher aufgehoben, ergänzt, abgeändert oder beseitigt werden (siehe u.a. BGH, Beschl. v. 20.12.1990, V ZB 8/90). Dies ist auch sinnvoll, eine Eigentümergemeinschaft ist kein statisches Gebilde. Was vor zehn Jahren noch Sinn und Zweck hatte, kann im Laufe der Zeit unpraktikabel geworden sein.
Aber Achtung:
- Genügt für einen Beschluss die einfache Mehrheit, so gilt dies auch für den Zweitbeschluss, selbst wenn der Erstbeschluss einstimmig gefasst worden ist.
- Eine Neugestaltung von Kernbereichen der Gemeinschaftsordnung oder der Teilungserklärung ist nur durch eine Vereinbarung möglich, wenn zum Beispiel aus Gemeinschaftseigentum Sondereigentum gebildet werden soll (oder umgekehrt).
- Soll ein Beschluss aufgehoben werden, der im Umlaufverfahren beschlossen wurde, so kann dieser auf einer Eigentümerversammlung ohne Weiteres mit einer einfachen Mehrheit wieder aufgehoben werden, wenn dies die Angelegenheit laut Gesetz oder Gemeinschaftsordnung zulässt. Denn das Allstimmigkeitserfordernis des Umlaufbeschlusses bezieht sich nur auf die Form des Zustandekommens eines Beschlusses, nicht auf die damit geregelte Angelegenheit.