Kein Anspruch auf Änderung der Eigentumszuordnung

Die Vorschrift des § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG ist eine so genannte Generalklausel, die durch ihre bewusst weite Formulierung Ausnahmen von differenzierten gesetzlichen Regelungen auf dem Gebiet des Wohnungseigentümerrechts zulässt. Danach können Wohnungseigentümer auch die Zustimmung zu Vereinbarungen verlangen, die von gesetzlichen Regelungen abweichen. Das soll zulässig sein, wenn schwerwiegende Gründe ein Festhalten an der bisherigen Regelung unbillig erscheinen lassen würden. Dass diese Norm nur das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander regelt und keine direkten Auswirkungen auf sachenrechtliche Zuordnungen des Wohnungseigentums hat, ist vom Bundesgerichtshof jetzt erneut betont worden.

Mit Urteil vom 11. Mai 2012 (V ZR 189/11) entschied der Bundesgerichtshof über folgenden Sachverhalt: Ein Gebäude, dass in Wohnungseigentum aufgeteilt war, wies im Dachgeschoss des Vorderhauses und des Seitenflügels zwei Teileinheiten auf (Nummer 23 und 24); die dort befindliche Waschküche war Gemeinschaftseigentum. Einer anderen Wohnungseinheit mit der Nummer 22 wurde ein Sondernutzungsrecht an Teilen des Dachgeschosses des Hinterhauses zugeschrieben.

Auf einer Eigentümerversammlung im April 1992 wurde auf Antrag der Eigentümer der oben genannten Einheiten mehrheitlich beschlossen, die Einheiten 23 und 24 in vier neue Wohnungseinheiten aufzuteilen; das bestehende Sondernutzungsrecht am Dachgeschoss sollte Teil des neuen Wohnungseigentums werden. Die neuen Eigentümer sollten Sondernutzungsrechte an den zu errichtenden Dachgärten bekommen. Nach diesem Beschluss begannen die Eigentümer, die den Antrag eingebracht hatten, mit den Umbaumaßnahmen. Die Waschküche wurde dabei Teil einer der neu errichteten Wohnung.

Die Wohnungseinheiten 22, 23 und 24 wurden später zwangsversteigert, das Sondernutzungsrecht wurde von der Einheit 22 auf die Einheit 21 übertragen.

In der einige Jahre später erhobenen Klage der Eigentümer der Wohnungseinheiten 21 und 23  ging es darum, dass die Kläger von den Beklagten verlangten, die Zustimmung zu einer notariellen Vereinbarung zu erteilen, die die vier neu gebildeten Wohnungseinheiten festschrieb. Davon waren die bisherigen Teilungseinheiten 23 und 24 betroffen, außerdem die Sondernutzungsrechte an der Waschküche und Sondernutzungsrechte der Wohnungseinheit 21 an der Teilfläche im Dachgeschoss. Die vier neu zu bildenden Wohnungen sollten dinglich gesicherte Sondernutzungsrechte an den Dachgärten erhalten.

Der Kern des Streits: Neben einer neuen Kostenregelung enthielt die notarielle Vereinbarung auch die Erklärung, dass das Wohnungseigentum an den vier neuen Wohnungseinheiten unter anderem an die Kläger übergehen wird.

Die Kläger unterlagen in dem Rechtsstreit.

Zur Begründung der Entscheidung verwies der BGH auf die Rechtsnatur des § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG: Diese Vorschrift beziehe sich nur auf Vereinbarungen, die die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander regeln. Eine vertragsrechtliche Regelung, die auch eine sachenrechtliche Zuordnung neu bestimme, erfasse die Norm dagegen nicht. Ein Anspruch auf Zustimmung, die eine eigentumsrechtliche Neuordnung zur Folge hätte, ließe sich aus § 10 Abs. 2 Satz 3 daher nicht herleiten.

Aus einem ähnlichen Grund sei bereits der Beschluss der Eigentümerversammlung von 1992 nichtig gewesen: Eine Umwandlung von Gemeinschafts- in Sondereigentum liege nicht in der Kompetenz einer Eigentümerversammlung. Auch die aus dem Beschluss abzuleitenden Einverständniserklärung in entsprechende Baumaßnahmen können nicht herangezogen werden, um daraus eine Zustimmung zu neuen Teilungserklärungen abzuleiten.

Auch die für das gesamte Zivilrecht einschlägige Treu- und Glaubensvorschrift des § 242 BGB kam nach Auffassung des BGH hier nicht zum Tragen, denn ein besonders gelagerter Ausnahmefall, der eine Verpflichtung zur Zustimmung als gerecht und billig erscheinen lassen würde, liege hier nicht vor. Nur außergewöhnliche Umstände, die eine Zustimmungsverweigerung grob unbillig erscheinen ließen, würden für einen aus der Treu- und Glaubensvorschrift resultierenden Pflicht ausreichen. Eine bloße langjährige Duldung eines konkreten Zustands begründe außerdem noch keinen Tatbestand, auf den die Kläger nach Treu und Glauben hätten vertrauen können. Der BGH stellte jedoch auch fest, dass § 242 BGB als Generalklausel neben der Vorschrift des § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG - ebenfalls eine Generalklausel - grundsätzlich anwendbar sei.

WoEigG § 10 Allgemeine Grundsätze
3) Vereinbarungen, durch die die Wohnungseigentümer ihr Verhältnis untereinander in Ergänzung oder Abweichung von Vorschriften dieses Gesetzes regeln, sowie die Abänderung oder Aufhebung solcher Vereinbarungen wirken gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers nur, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen sind.


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