Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist nicht verpflichtet, Beschlüsse nur innerhalb der jährlichen Eigentümerversammlung oder im Rahmen einer außerordentlichen Eigentümerversammlung zu fassen. Dank der flexibleren gesetzlichen Regelungen der WEG-Reform 2020 können Beschlüsse nun auch außerhalb der Versammlung leichter gefasst werden. Dies wird als Umlaufbeschluss bezeichnet und ist in § 23 Abs. 3 WEG geregelt.
Was ist ein Umlaufbeschluss?
Ein Umlaufbeschluss erlaubt es den Eigentümern, Entscheidungen ohne physische Versammlung zu treffen. Die Abstimmung erfolgt schriftlich oder – seit der WEG-Reform – auch in Textform (z. B. per E-Mail oder Messenger). Dabei gibt es zwei Varianten:
- Einstimmiger Umlaufbeschluss: Alle Eigentümer müssen zustimmen.
- Mehrheitlicher Umlaufbeschluss: Wenn dies in der Gemeinschaftsordnung geregelt ist oder alle Eigentümer zuvor dem Verfahren zugestimmt haben, reicht eine einfache Mehrheit aus.
Textform oder Schriftform?
Der Unterschied zwischen Textform und Schriftform liegt vor allem in den Anforderungen an die Art der Erklärung und den Nachweis der Identität des Absenders. Hier eine Erklärung mit Beispielen:
1. Textform
- Definition: Eine Erklärung in Textform muss lesbar und dauerhaft speicherbar sein. Es ist keine eigenhändige Unterschrift erforderlich.
- Beispiele:
- E-Mail: Ein Eigentümer stimmt einem Umlaufbeschluss zu, indem er per E-Mail antwortet: „Ich stimme dem Beschluss zu.“
- Messenger: Die Zustimmung erfolgt über eine WhatsApp-Nachricht: „Ja, ich bin einverstanden.“
2. Schriftform
- Definition: Eine Erklärung in Schriftform erfordert eine eigenhändige Unterschrift auf Papier oder eine elektronische Signatur mit qualifizierter Zertifizierung.
- Beispiele:
- Handschriftlicher Brief: Der Eigentümer unterschreibt einen Beschlussentwurf auf Papier und sendet ihn per Post an die Hausverwaltung.
- Dokument mit digitaler Signatur: Der Eigentümer nutzt eine elektronische Signatur (z. B. über DocuSign) und sendet das signierte PDF per E-Mail.
Wichtige Unterschiede zwischen Textform und Schriftform
Merkmal | Textform | Schriftform |
---|---|---|
Unterschrift erforderlich | Nein | Ja |
Übermittlungsmethode | Digital (E-Mail, Messenger) | Papier oder qualifizierte Signatur |
Flexibilität | Höher | Niedriger |
Rechtsverbindlichkeit | Nur, wenn gesetzlich ausreichend | Höher bei strengen Anforderungen |
Die Textform bietet mehr Flexibilität und ist ideal für schnellere Abstimmungen (z. B. Umlaufbeschlüsse), während die Schriftform höhere Anforderungen an die Identitätssicherung stellt und für formalere Vorgänge genutzt wird.
Aktuelle Rechtslage nach der WEG-Reform 2020
- Einführung der Textform (§ 23 Abs. 3 WEG):
- Ein Umlaufbeschluss muss nicht mehr schriftlich erfolgen, sondern kann in Textform gefasst werden (z. B. per E-Mail oder Messenger).
- Die Textform erleichtert die Durchführung erheblich.
- Mehrheitsbeschlüsse möglich:
- Die Gemeinschaftsordnung kann regeln, dass ein Umlaufbeschluss auch mit einfacher Mehrheit beschlossen werden kann.
- Wenn dies nicht geregelt ist, bleibt es beim Erfordernis der Einstimmigkeit.
- Anwendungsfälle:
- Umlaufbeschlüsse sind besonders nützlich, wenn schnelle Entscheidungen erforderlich sind und keine Versammlung einberufen werden kann.
Alte Regelung vs. Neue Regelung
Merkmal | Alte Regelung | Neue Regelung |
---|---|---|
Erforderliche Form | Schriftlich | Textform (E-Mail, Messenger) |
Zustimmungsquote | Einstimmig | Einstimmig oder Mehrheit möglich |
Anwendungsfreundlichkeit | Eingeschränkt | Deutlich erleichtert |
Rechtsgrundlage | § 23 Abs. 3 WEG a.F. | § 23 Abs. 3 WEG n.F. |
Wann ist ein Umlaufbeschluss sinnvoll?
Umlaufbeschlüsse bieten sich besonders dann an, wenn schnelle Entscheidungen notwendig sind, z. B.:
- Bei dringenden Instandsetzungsmaßnahmen (z. B. nach einem Wasserschaden).
- Für kleinere Modernisierungsmaßnahmen, bei denen eine persönliche Diskussion nicht erforderlich ist.
- Wenn eine Eigentümerversammlung aus zeitlichen oder organisatorischen Gründen nicht einberufen werden kann.
Worauf ist zu achten?
Damit ein Umlaufbeschluss wirksam ist, sollten folgende Punkte beachtet werden:
- Form der Abstimmung: Die Abstimmung kann schriftlich oder in Textform erfolgen. Die gewählte Form sollte klar kommuniziert werden.
- Vorgabe der Frist: Setzen Sie eine klare Frist, bis wann die Stimmen abgegeben werden müssen.
- Transparente Dokumentation: Der Beschlussentwurf muss detailliert beschrieben werden, um Missverständnisse zu vermeiden.
- Ergebnis mitteilen: Das Ergebnis des Umlaufbeschlusses muss allen Eigentümern unverzüglich bekannt gegeben werden.
Praktische Tipps für die Hausverwaltung
- Vorbereitung ist alles: Besonders in größeren Gemeinschaften sollten die Eigentümer vorab informiert werden, welche Bedeutung ein Umlaufbeschluss hat und wie das Verfahren abläuft.
- Persönliche Ansprache bei kritischen Themen: Bei Themen, die kontrovers diskutiert werden könnten, hilft es, im Vorfeld das Gespräch mit den Eigentümern zu suchen.
- Digitale Tools nutzen: Einfache Abstimmungsplattformen oder Abstimmungen per E-Mail können den Prozess erheblich erleichtern.
- Rechtliche Absicherung prüfen: Stellen Sie sicher, dass alle Schritte den Vorgaben der WEG entsprechen, um Anfechtungen zu vermeiden.
Warum sind Umlaufbeschlüsse nach der WEG-Reform noch attraktiver?
Die WEG-Reform 2020 hat den Umlaufbeschluss deutlich flexibler gemacht. Vor der Reform war ein schriftlicher Beschluss nur wirksam, wenn alle Eigentümer zustimmten. Dies führte oft zu Verzögerungen oder zum Scheitern des Beschlusses. Dank der neuen Regelungen kann ein Umlaufbeschluss jetzt auch mit einfacher Mehrheit gefasst werden, sofern dies in der Gemeinschaftsordnung verankert ist. Das erleichtert die Entscheidungsfindung erheblich und macht Umlaufbeschlüsse besonders für größere Eigentümergemeinschaften praktikabler.
Wie funktioniert ein Umlaufbeschluss?
Ein Umlaufbeschluss muss einige Grundregeln einhalten, um wirksam zu sein:
- Beschlussentwurf formulieren: Der Text des Beschlusses muss klar und verständlich sein.
- Abstimmungsform festlegen: Die Abstimmung kann schriftlich oder in Textform erfolgen.
- Frist setzen: Eine klare Frist, bis wann die Stimmen abgegeben werden müssen, vermeidet Verzögerungen.
- Zustimmungen einholen: Stimmen der Eigentümer sammeln und sorgfältig dokumentieren.
- Ergebnis mitteilen: Nach Abschluss der Abstimmung das Ergebnis zeitnah an alle Eigentümer kommunizieren.
Beispiele aus der Praxis
Fall 1: Dringende Reparaturmaßnahmen
Nach einem Wasserschaden in der Tiefgarage benötigt die Eigentümergemeinschaft schnelle Maßnahmen zur Abdichtung. Der Verwalter formuliert einen Umlaufbeschluss, der per E-Mail abgestimmt wird. Innerhalb von drei Tagen stimmen 80 % der Eigentümer zu – der Beschluss ist wirksam, da die Gemeinschaftsordnung Mehrheitsentscheidungen im Umlaufverfahren erlaubt.
Fall 2: Neue LED-Beleuchtung
Die Gemeinschaft beschließt, die Beleuchtung in den Fluren auf LED-Technik umzurüsten. Das Thema wird per WhatsApp-Gruppe abgestimmt, alle Eigentümer geben ihre Zustimmung – der einstimmige Umlaufbeschluss wird dokumentiert und das Ergebnis bekannt gegeben.
Häufige Fehler vermeiden
- Unklare Fristen: Ein Umlaufbeschluss ohne klare Deadline kann zu Verzögerungen führen.
- Fehlende Dokumentation: Jede Zustimmung muss nachweisbar dokumentiert werden.
- Mangelnde Kommunikation: Eigentümer müssen rechtzeitig informiert und eingebunden werden.
Wird das Thema Umlaufbeschluss nicht in der Gemeinschaftsordnung behandelt wird, kann dann im Rahmen einer Eigentümerversammlung per Mehrheitsbeschluss bestimmt werden, dass zukünftige Umlaufbeschlüsse mit einfacher Mehrheit initiiert werden können?
Wenn in der Gemeinschaftsordnung nichts zum Thema Umlaufbeschlüsse geregelt ist, greift die gesetzliche Regelung des § 23 Abs. 3 WEG. Danach können Umlaufbeschlüsse nur einstimmig gefasst werden, es sei denn, die Gemeinschaftsordnung trifft eine abweichende Regelung.
Wenn die Gemeinschaftsordnung also keine Regelung enthält, kann die Eigentümergemeinschaft nicht durch einen einfachen Beschluss in der Eigentümerversammlung festlegen, dass zukünftige Umlaufbeschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst werden können. Der Grund ist, dass dies eine Änderung der Gemeinschaftsordnung darstellt. Änderungen der Gemeinschaftsordnung bedürfen in der Regel der Einstimmigkeit (§ 10 Abs. 1 Satz 2 WEG) oder müssen den formalen Vorgaben der Gemeinschaftsordnung selbst folgen, wenn dort Abweichungen (z. B. eine qualifizierte Mehrheit) geregelt sind.
Wie kann die Regelung geändert werden?
- Änderung der Gemeinschaftsordnung:
Die Eigentümergemeinschaft müsste beschließen, die Gemeinschaftsordnung dahingehend zu ändern, dass Umlaufbeschlüsse auch mit einfacher Mehrheit möglich sind. Dies erfordert Einstimmigkeit oder eine anderweitig festgelegte Mehrheit in der Gemeinschaftsordnung. - Formale Anforderungen:
Eine Änderung der Gemeinschaftsordnung ist erst dann wirksam, wenn sie notariell beurkundet und ins Grundbuch eingetragen wird.
Zusammengefasst: Wenn die Gemeinschaftsordnung nichts regelt, bleibt es bei der gesetzlichen Vorgabe, dass Umlaufbeschlüsse einstimmig sein müssen. Eine Änderung hin zu einer Regelung, die Umlaufbeschlüsse mit einfacher Mehrheit zulässt, ist nur über eine Änderung der Gemeinschaftsordnung möglich, nicht durch einen einfachen Beschluss in der Eigentümerversammlung.
Auch Umlaufbeschlüsse sind anfechtbar
Die ebenfalls einmonatige Anfechtungsfrist gemäß § 46 Abs. 1 WEG beginnt mit dem Tag des Zugangs der Mitteilung über das Beschlussergebnis durch den oder die Initianten an die Wohnungseigentümer, wobei den Initianten die Mitteilungspflicht obliegt und zwar durch Rundschreiben oder Aushang in der Wohnungseigentumsanlage (vgl. dazu auch Kümmel in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, § 23 Rz. 56).
Bei § 23 WEG handelt es sich um eine unabdingbare Vorschrift, d.h. auch in Teilungserklärungen oder Gemeinschaftsordnungen kann keine Regelungen getroffen werden, die diese Vorschrift einengt oder abändert. So wäre eine Vereinbarung oder ein Beschluss, dass in schriftlichen Umlaufbeschlüssen bereits eine einfache Mehrheit für das Zustandekommen einer wirksamen Beschlussfassung ausreichen soll (BayObLG, 28.10.1980, 2 Z 63/80) nichtig. Zulässig sind jedoch Regelungen über die Form (Einzelzustimmungen oder Zirkularbeschluss), die Fristen oder eine mögliche Stimmrechtsvertretung bei schriftlichen Beschlüssen.
Ein Beschluss muss sein
Besonders in kleinen Eigentümergemeinschaften wird oft nicht viel Wert auf die Form gelegt. Ist die interne Rückmeldung der übrigen Eigentümer positiv, wird oft mit der Umsetzung begonnen. Das kann nach hinten losgehen, wenn beispielsweise eine Baumaßnahme ohne formellen Beschluss durchgeführt wird.