Ein Miteigentümer zahlt das monatliche Hausgeld oder die Salden der Jahresabrechnungen nur schleppend oder überhaupt nicht? Dann sollten Wohnungseigentümergemeinschaft und Hausverwaltung nicht zu lange bummeln. Diese Forderungen verjähren. Für alte Ansprüche gilt eine einheitliche Verjährungsfrist von drei Jahren. (§ 197 Abs. 2 i.V.m. § 195 BGB). Es handelt sich dabei um eine sogenannte Sylvesterverjährung, d.h., die Verjährungsfrist beginnt am Ende des Kalenderjahres zu laufen, in dem der Zahlungsanspruch durch Beschlussfassung entstanden und fällig gestellt wurde.
Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung: Unterschiedliche Funktionen
Das BGH-Urteil betont in seinem Urteil (BGH, V ZR 171/11), dass die Vorschussansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft ausschließlich auf dem Wirtschaftsplan beruhen (§ 19 Abs. 2 WEG). Der Wirtschaftsplan wird von der Eigentümergemeinschaft beschlossen und enthält die Grundlage für die monatlich zu leistenden Hausgeldvorschüsse. Diese Vorschüsse dienen dazu, die laufenden Kosten und Verpflichtungen der Gemeinschaft zu decken.
Die Jahresabrechnung hingegen hat eine andere Funktion: Sie dient der Abrechnung der tatsächlich entstandenen Kosten und stellt fest, ob ein Eigentümer eine Nachzahlung zu leisten hat oder einen Überschuss erstattet bekommt (sogenannte "Abrechnungsspitze"). Der Beschluss über die Jahresabrechnung begründet keinen neuen Anspruch auf die Vorschüsse, sondern lediglich auf die Nachzahlungsbeträge oder Überschüsse. Die Forderungfrist aus dem zwangsläufig erst im Folgejahr abgerechneten Wirtschaftsjahr beginnt daher ein Jahr später zu laufen, nämlich mit Ablauf des Jahres, in dem die Abrechnung auf der Eigentümerversammlung beschlossen wurde.
Rechtslage zur Verjährung
Die Verjährung von Vorschussansprüchen richtet sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt der Fälligkeit der einzelnen Monatsvorschüsse. Das BGH-Urteil erklärt, dass die Beschlussfassung über die Jahresabrechnung keinerlei Auswirkungen auf die Verjährungsfrist dieser Vorschüsse hat, da diese bereits durch den Wirtschaftsplan bestimmt und damit eigenständig rechtlich geregelt sind.
Mit anderen Worten: Die Jahresabrechnung kann nicht rückwirkend Ansprüche aus dem Wirtschaftsplan ändern oder erneuern. Das bedeutet, dass der Eigentümergemeinschaft bei Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist keine rechtliche Grundlage mehr bleibt, um alte Vorschussansprüche einzutreiben, unabhängig davon, ob und wann eine Jahresabrechnung beschlossen wurde.
Praktische Bedeutung
Dieser Punkt ist besonders wichtig, weil Eigentümergemeinschaften und Verwalter oft glauben, dass die Beschlussfassung über die Jahresabrechnung einen Einfluss auf die Verjährung der Hausgeldvorschüsse hat. Das Urteil stellt jedoch klar, dass dies ein Irrtum ist. Die Verjährung wird nur durch den ursprünglichen Beschluss über den Wirtschaftsplan gesteuert und nicht durch nachfolgende Abrechnungen.
Die Meinungen hierzu gingen lange Zeit auseinander, Klarheit schaffte der Bundesgerichtshof, der Leitsatz: Die dreijährige Verjährungsfrist für Ansprüche auf Zahlung von Wohngeldvorschüssen beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem die Vorschüsse fällig sind. Der Beschluss über die Jahresabrechnung führt nicht zu einem Neubeginn der Verjährung.
Der Beschluss über die Jahresabrechnung wirkt anspruchsbegründend nur hinsichtlich des auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfallenden Betrages, welcher die in dem Wirtschaftsplan für das abgelaufene Jahr beschlossenen Vorschüsse übersteigt (sog. Abrechnungsspitze) (BGH, Urteil vom 1. Juni 2012 - V ZR 171/11).
Ein Rechenbeispiel zur Verbuchung fehlender Hausgeldvorschüsse
- Geplante Vorschüsse laut Wirtschaftsplan:
- Pro Monat: 300 Euro
- Gesamtjahr: 300 Euro ×12 = 3.600 Euro
- Gezahlte Vorschüsse des Eigentümers:
- Der Eigentümer hat nur für 9 Monate gezahlt:
300 Euro × 9 = 2.700 -Euro
- Der Eigentümer hat nur für 9 Monate gezahlt:
- Tatsächliche Kosten laut Jahresabrechnung:
- Pro Wohnung: 4.300 Euro
- Abrechnungsspitze:
- Differenz zwischen tatsächlichen Kosten und gezahlten Vorschüssen:
4.300 Euro − 2.700 Euro = 1.600 Euro
- Differenz zwischen tatsächlichen Kosten und gezahlten Vorschüssen:
- Abrechnungsspitze laut Jahresabrechnung:
- Die Jahresabrechnung weist als Nachzahlung jedoch nur 700 Euro aus.
- Das bedeutet, die fehlenden 900 Euro aus den Vorschüssen wurden bereits auf die anderen Eigentümer umgelegt.
Wie verteilt sich die Lücke auf die anderen Eigentümer?
- Annahme: Die Gemeinschaft besteht aus 10 Wohnungen.
- Gesamtkosten der Gemeinschaft:
4.300 Euro × 10 = 43.000 Euro - Tatsächlich gezahlte Vorschüsse aller Eigentümer (inklusive des säumigen Eigentümers):
(9 Eigentümer × 3.600 Euro) + 2.700 Euro = 34.200 Euro + 2.700 Euro = 36.900 Euro - Fehlbetrag:
43.000 Euro − 36.900 Euro = 6.100 Euro
Die anderen 9 Eigentümer tragen den Fehlbetrag anteilig. Bei gleichen Miteigentumsanteilen ergibt das: 6.1009 Euro ≈ 678 Euro pro Eigentümer.
Was bleibt für den säumigen Eigentümer?
- Sein Anteil an der Abrechnung:
- Die Gesamtnachzahlung beträgt für ihn 900 Euro + 700 Euro = 1.600 Euro
- Jahresabrechnung und Forderung:
- Die Jahresabrechnung weist nur die Abrechnungsspitze aus (700 Euro, da die fehlenden Vorschüsse bereits verteilt wurden.
- Trotzdem bleibt der säumige Eigentümer weiterhin verpflichtet, die fehlenden Vorschüsse von 900 Euro zu zahlen.
Praktische Handhabung
- Einfordern der fehlenden Vorschüsse:
- Die Gemeinschaft sollte den säumigen Eigentümer schriftlich auffordern, die 900 Euro Vorschüsse nachzuzahlen.
- Eingang der Nachzahlung:
- Wenn die 900 Euro nachträglich gezahlt werden, müssen sie in der nächsten Jahresabrechnung als Gutschrift an die übrigen Eigentümer weitergegeben werden.
- Vorbeugung:
- Um solche Situationen künftig zu vermeiden, sollte die Gemeinschaft säumige Zahlungen frühzeitig durch Mahnungen oder Klage geltend machen, bevor sie verjähren.
Achtung Eigentümerwechsel! Ist nichts anderes vereinbart, haftet ein Neueigentümer nicht für die Altschulden seines Vorgängers, er kann nur auf die Abrechnungsspitze in Anspruch genommen werden. Kommt es also im Einzelfall dazu, dass Eigentümergemeinschaften aus den verschiedensten Gründen Jahre zurückliegende Abrechnungen beschließen müssen, dann kann durch den neuen Beschluß über die Jahresabrechnung nur die Abrechnungsspitze gegenüber dem Erwerber geltend gemacht werden, die rückständigen Hausgeldvorauszahlungen müssen jedoch abgeschrieben werden, wenn zwischen dem Ende des Wirtschaftsjahres, für das die Vorauszahlung hätte entrichtet werden müssen und dem Beschluss der neuen Abrechnung, mehr als drei Jahre liegen (BGH, AZ V ZR 350/03).
Was ergibt mehr Sinn? Zu versuchen, nicht gezahlte Vorschüsse schnell eintreiben oder die Jahresabrechnung abwarten?
Welche Strategie mehr Sinn ergibt, hängt von den Umständen und der jeweiligen Zielsetzung der Eigentümergemeinschaft ab. Hier eine Abwägung der beiden Optionen:
Option 1: Den nicht gezahlten Vorschüssen sofort hinterhergehen
- Vorteile:
- Zeitnaher Forderungsausgleich: Je früher offene Vorschüsse eingefordert werden, desto schneller fließt das Geld der Gemeinschaft zu, was Liquiditätsengpässe vermeiden kann.
- Eindeutige Rechtsgrundlage: Die Vorschüsse beruhen auf einem gültigen Wirtschaftsplan. Eine Klage hat daher gute Erfolgsaussichten, sofern der Beschluss ordnungsgemäß gefasst wurde.
- Keine Verjährung: Frühzeitiges Handeln verhindert, dass Vorschüsse verjähren und später nicht mehr eingefordert werden können.
- Nachteile:
- Verwaltungsaufwand: Mahnungen und gegebenenfalls ein Klageverfahren verursachen zusätzlichen Aufwand und Kosten.
- Spannungen in der Gemeinschaft: Wenn der säumige Eigentümer Teil der Gemeinschaft ist, könnten Konflikte entstehen, die das Miteinander belasten.
Fazit: Diese Option ist sinnvoll, wenn die Gemeinschaft dringend auf die Beiträge angewiesen ist oder Zweifel bestehen, dass der Eigentümer später zahlungsfähig ist.
Option 2: Jahresabrechnung abwarten und die Abrechnungsspitze einfordern
- Vorteile:
- Effizienz: Die Abrechnungsspitze umfasst die gesamte Differenz zwischen den gezahlten Vorschüssen und den tatsächlichen Kosten. Dadurch kann die Forderung gebündelt geltend gemacht werden, anstatt einzelne Beträge separat einzufordern.
- Klarheit durch Abrechnung: Die Jahresabrechnung zeigt transparent, was tatsächlich zu zahlen ist, und kann den Zahlungsanspruch stützen.
- Fristsetzung möglich: Der Eigentümer kann nach Beschlussfassung zur Zahlung der Abrechnungsspitze aufgefordert werden. Bei Nichtzahlung kann eine Klage eingereicht werden.
- Nachteile:
- Verjährungsgefahr bei Vorschüssen: Vorschüsse aus dem Wirtschaftsplan verjähren unabhängig von der Jahresabrechnung. In diesem Fall wären die Vorschüsse aus Januar bis März 2020 nach dem 31. Dezember 2023 nicht mehr einforderbar.
- Finanzielle Lücken bis zur Abrechnung: Die Gemeinschaft muss bis zur Jahresabrechnung ohne die fehlenden Vorschüsse auskommen.
Fazit: Diese Option ist sinnvoll, wenn die Gemeinschaft finanziell stabil ist und keine akute Gefahr besteht, dass Vorschüsse verjähren, bevor die Nachzahlung aus der Abrechnung geltend gemacht wird.
Empfohlene Strategie: Kombination beider Ansätze
Die beste Vorgehensweise hängt von der Dringlichkeit der Situation ab, aber eine Kombination beider Ansätze kann sinnvoll sein:
- Mahnungen für die offenen Vorschüsse versenden: Der säumige Eigentümer sollte schriftlich und nachweisbar zur Zahlung der offenen Vorschüsse aufgefordert werden, idealerweise mit einer Zahlungsfrist.
- Frühzeitig handeln, bevor die Verjährung eintritt: Falls der Eigentümer nicht zahlt, sollte spätestens im dritten Jahr eine Klage angestrengt werden, um die Verjährung zu verhindern.
- Nach der Jahresabrechnung die Abrechnungsspitze einfordern: Sobald die Abrechnung beschlossen wurde, sollte die Differenz klar und nachvollziehbar mit Fristsetzung eingefordert werden.
Praxis-Tipp:
Falls der säumige Eigentümer erkennbar zahlungsunwillig oder zahlungsunfähig ist, sollte sofort gehandelt werden, um keine Ansprüche zu verlieren. Im Zweifel bietet die direkte Verfolgung der Vorschüsse eine bessere Absicherung für die Gemeinschaft.
Hausgeldzahlungen und Abrechnungsspitzen sind regelmäßig wiederkehrende Leistungen, sie unterliegen damit der Verjährungsfrist (aktuell 3 Jahre, § 195 BGB).